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Richard Dawkins oder E.O. Wilson / Gruppe gegen Gen
 
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MM
Gast





BeitragVerfasst am: 22. Jul 2016 07:39    Titel: Richard Dawkins oder E.O. Wilson / Gruppe gegen Gen Antworten mit Zitat

Hallo. Ich komme bei einer Sache auch noch nicht weiter. Wird derzeit die Gruppenselektion oder die Genselektion favorisiert?
Richard Dawkins sagt, dass die Selektion am Gen ansetzt, was ja auch Wilson sagt. Er sagt nämlich, dass das Gen absolut entscheidend ist, und dass die Anhänger der kin selection fälschlicherweise das Individuum als Objekt der Selektion genommen haben. Dawkins bestreitet das und sagt, Wilson läge falsch.

Ich komme hier einfach nicht weiter. Inclusice fitnees (Gesamtfitness), Individualselektion oder Gen-Selektion.

Wilson und Dawkins scheinen sich zumindest einig beim Gen zu sein, da nur dieses häufiger in der Welt werden kann. Kein Individuum und keine Gruppe können das. Es könnten aber Gruppeneigenschaften häufiger werden.


Wie seht ihr hier im Board die Sache. Wilson oder Dawkins. Immerhin scheinen die sich ja grundlegend zu widersprechen.

Und was komisch ist, ich höre immer wieder Leute, die Dawkins und dann wieder Wilson und die Gruppenselektion bevorzugen.

Aber es gab ja eine Puplikation von 137 Biologen gegen Wilson.

Wer hat hier Recht?
Hedera



Anmeldungsdatum: 08.03.2011
Beiträge: 657

BeitragVerfasst am: 22. Jul 2016 15:44    Titel: Antworten mit Zitat

Das ist vor allem zu nächst eine Definitionsfrage:

Was ist Selektion?
Nach meiner Auffassung ist es grob gesagt das "Bevorzugen" von Merkmalen/Eigenschaften, die gegenüber anderen Merkmalen/Eigenschaften weniger gut in bezug auf die Umwelt geeignet sind.

Nach dieser Auffassung ist die Antwort ganz einfach:
Selektion ist auf reiner Genebene völlig unmöglich, da die Gene den Phänotypen bestimmen, wobei selbst hier die Umwelt mit rein spielt (das Menschen zB. heute größer sind als früher hat nichts mit Genetik zu tun, sondern nur mit einer besseren Ernährung). Ein Gen kann beispielsweise nur ein Transkriptionsfaktor sein, der wiederum bestimmt wie stark andere Gene expremiert werden. Nehmen wir nun an, dass diese Gene den Phänotypen bestimmen, der nun besser oder schlecht angepasst ist, so hat das Gen natürlich seinen Effekt. Es ist aber ein indirekter Effekt. Selektiert wird die Folge des Gens, nicht aber das Gen an sich. Das wird auch deutlich wenn man sich anschaut, dass mehrere Gene den gleichen Effekt haben können.
Nehmen wir mal an, dass es ein Gen gibt dass wie eben beschrieben die Exkrepssion anderer Gene positiv steuert. Ein anderes Gen könnte diese Expression wiederum negativ steuern. Das heißt, das es rein theoretisch zum selben Ergebniss kommen kann, wenn das "positive" Gen stärker expremiert wird, oder aber das "negative Gen schwächer.
Selektiert wird in beiden Fällen der Phänotyp und mit diesem natürlich indirekt das Gen. Aber der Grund für die Selektion war eben das Merkmal/die Eigenschaft, die durch das Gen entstanden ist.

Wichtig an dieser Stelle ist, dass man das Individuum als Gesamtheit seiner Merkmale sehen muss. Und selektiert wird anhand dieser Gesamtheit. Das heißt aber nicht, dass die Selektion am Individuum ansetzen muss. Man kann es auch auf der Merkmalsebene als "letzte Instanz" beschreiben. Nicht aber auf der "ein Gen" Ebene, da nur in extrem seltenden Fällen exakt ein Gen für das Mekrmal alleine verantwortlich ist.
Aber wie gesagt, das ist in meinen Augen in erster Linien Definitionssache.

Kurz gesagt: Nach meiner Auffassung ist beides nicht ganz korrekt, da sie immer nur Teilaspekte beschreiben und diese nicht ausreichend sind.
Lennox
Gast





BeitragVerfasst am: 25. Apr 2017 23:25    Titel: Dawkins ist bereits einen ganzen Schritt weiter Antworten mit Zitat

Ein Gen ist die Einheit der Selektion, wenn es um die Funktion des Replikators geht, der in die nächste Generation will. Ein Einzelorganismus fungiert hingegen als Vehikel und bestrebt maximale Gesamtfitness. Darunter fällt auch überleben, aber eben nur sekundär. Daher ist ein Einzelorganismus für die Betrachtung der Evolution von Genen, oder Genomen auf Langzeit ungeeignet. Interessant werden Organismen, bei der Verhaltensforschung im Hier und Jetzt. Schauen wir aber auf die bereits entwickelten Merkmale/Eigenschaften, dann stellt sich automatisch die Frage: Wieso sind Tiere so gut angepasst und welches Bild könnte es am sinnvollsten zeigen?

Das egoistische Gen (Dawkins Klassiker) ist voller imaginärer Monologe, in denen ein hypothetisches Tier für sich „überlegt“: „Soll ich X oder X tun?" Dabei bedeutet „soll“: Wäre X oder Y besser für meine Gene?“ Eine solche Ausdrucksweise ist legitim, aber nur dann, wenn man sie in eine Frage übersetzen kann: „Wird ein Gen, das Individuen (in dieser Situation) X tun lässt, im Genpool häufiger?“

Man kommt mit Dawkins' Definition von egoistischen Genen nicht um Vorhersagen wie Verwandschaftsselektion (Grüner-Bart-Effekt) umher, sie zwingt Individuen sogar danach zu streben, auch wenn sie für die Verwandten wertvolle Ressourcen aufgeben und ihre potentielle Lebensdauer kürzen.

Etwas allgemeiner könnte man hier noch in die Bedeutung der Genauslese einsteigen im Gebiet der modernen Soziobologie. Grundlegend gilt aber, dass die Idee der Gruppenselektion, so verführerisch sie erscheinen mag, als widerlegt ausgelegt werden kann. Sie verlor spätestens nach der Erscheinung von Dawkins´ "das Egoistische Gen" an Bedeutung.
Bei Nachfrage könnte ich es ergänzen, aber vielleicht hat diese kleine Ausführung bereits zu etwas mehr Klarheit verholfen.
Gruß
[/b]
jörg



Anmeldungsdatum: 12.12.2010
Beiträge: 2107
Wohnort: Bückeburg

BeitragVerfasst am: 26. Apr 2017 11:40    Titel: Antworten mit Zitat

Deine Kernaussagen sind sehr dogmatisch und kategorisch.....

Ich warne bei der Beurteilung biologischer Vorgänge immer vor Kategorien, denn Kategorien sind niemals wahr, können jedoch einzelne Aspekte der Wahrheit erklären. Dehalb benötigen wir sie.

Ausserdem ist es nicht möglich, durch theoretische Abhandlungen etwas zu widerlegen, allerhöchstens didaktisch.

Glaubst du wirklich, damit Klarheit in das Thema gebracht zu haben?

_________________
RNA?- just another nucleic acid?
Lennox



Anmeldungsdatum: 25.04.2017
Beiträge: 10

BeitragVerfasst am: 26. Apr 2017 23:29    Titel: Antworten mit Zitat

Könnten Sie bitte konkreter werden?
jörg



Anmeldungsdatum: 12.12.2010
Beiträge: 2107
Wohnort: Bückeburg

BeitragVerfasst am: 27. Apr 2017 09:25    Titel: Antworten mit Zitat

Sehr gerne, für eine allzu ausführliche Darlegung meiner Perspektiven scheint mir ein solches Forum jedoch ungeeignet, deswegen in Kürze...

Vorweg möchte ich jedoch sagen, dass wir uns nicht siezen müssen hier duzen sich die Leute eigentlich....

Meiner Ansicht nach definieren wir uns einerseits über Ambivalenzen, benötigen jedoch andererseits Kategorien, um uns zu orientieren. Das bedeutet, wir leben im Widerspruch. Dialektiker zweifeln dieses nicht an, sondern fragen nach der Vereinbarkeit der Widersprüche. Ich mache mir zwar recht wenig aud Dialektik, jedoch kann man dieses Argument erweitern und annehmen, dass bestimmte Aussagen über die Wahrheit nur einen Teil der Wahrheit erfassen und Aussagen, welche einen anderen Teil der Wahrheit beschreiben sollen, im Widerspruch dazu stehen können.
Über diesen Widerspruch kann man jedoch nichts widerlegen, das ist prinzipiell nicht möglich und schon gar nicht von der Warte einer Theorie aus.
Wir können eine Theorie jedoch so lange als wahr annehmen, solange sie nich widerlegt wird. Dass sie prinzipiell widerlegbar sein muss, versteht sich dabei von selbst.
Nun können mir zwei widersprüchliche Theorien oder Hypothesen begegnen, von der jede jedoch bestimmte Aspekte der Wahrheit erfasst, auf deren Grundlage sich also experimentell überprüfbare Vorhersagen ableiten lassen.
Das trifft auf das egoistische Gen zu, doch es trifft zum einen nicht auf jedes Sequenzmotiv zu und zum anderen könnte - wenn ich die Argumente weiter führe - es das Beste für das egoistische - und rein egoistische Gen - sein, wenn es sich phänotypisch gar nicht bemerkbar macht. Solche Sequenzmotive gibt es tatsächlich, z.B. die humanen endogenen Retroviren, welche sich ohne phänotypische Relevanz sowohl horizontal als auch vertikal ausbreiten. Dann gibt es darüber hinaus noh Elemente, z.B. Transposons wie die sog. ALU-Elemente, die von indirekter phänotypischer Bedeutung sind, aber auch einen geschickten Replikationsmechanismus aufweisen. Für alle diese Gene kann ich einen gewissen Egoismus annehmen, da es tatsächlich nur um die Erhaltung der Sequen zu gehen scheint. Je mehr phänotypische Relevanz ein Gen jedoch besitzt, desto altruistischer muss es werden, um durch Kooperation erhalten zu bleiben. So existieren also Genpools, welche letztendlich auch durch den Phänotypen repräsentiert sind. Damit meine ich alle phänotypischen Dimensionen, also auch z.B. RNA-Phänotypen.
Dawkins Argumentation ist dicht und es ist zudem notwendig, in dieser Art zu polarisieren, wenn man populärwissenschaftlich schreiben und erfolgreich sein möchte. Dennoch wirkt Selektion nicht ausschließlich auf ein einzelnes Gen und ich halte das für eine sehr reduktionistische Anschauung. Selektion wirkt auf einen Genpool. Man kann z.B. beobachten, dass eine bestimmte genetische Konstellation gehäuft gemeinsam auftritt und wenn Gen A mutiert ist, die gesamte Population (z.B. in einer Zellkulturschale) irgendwann auch Gen B und Gen C mutiert haben, weil diese Konstellation aus irgeneinem Grund einen Selektionsvorteil liefert.
Wenn ich das weiter spinne, lande ich irgendwann beim Phänotypen, was mich zu der Ansich kommen lässt, dass Phäno- und Genotyp gar nicht so klar voneinander abzugrenzen sind, wenn es um Selektion geht. Also auch "nur" Kategorien, die wir erschaffen haben, um unsere Umwelt zu strukturiene, genauso wie die verwendeten Begriffe "egoistisch" und "altruistisch". Und schon beginne ich anzunehmen, dass es das alles entweder gar nicht gibt (dann wäre es aber schwer, überhaupt eine Begriffswelt zu etablieren) oder dass man egoistisch sein muss, um überhaupt altruistisch zu sein und andersherum. Damit ist in unserem Beispiel aber weder der Phänotyp "Dienstleister" des Genotyps noch andersherum. Es sind Ausdrücke voneinander. Dass der Genotyp dabei den Umfang und die Qualität des Ausdruckes bestimmt, steht ausser Frage.
Klarheit kann man damit jedoch nicht erzeugen, weil Klarheit eine -ich nenne es mal "Metakategorie"- ist. Damit kann ich Dinge nur in Kategorien klären, muss also wieder polarisieren und die Folge ist das Aufstellen eines oder mehrerer Dogmen, die ich dann glaube, in vielen Dingen oder allem wiederzufinden (Die Metakategorie par excellence wäre z.B. Gott).
Deswegen bin ich immer skeptisch gegenüber Kategorien, weil sie nicht wahr sein können, da es eben Kategorien sind. Die Wahrheit selbst ist wie sie ist, ob erfassbar oder nicht. Wir benötigen jedoch Kategorien, um überhaupt Aussgagen über die Wahrheit zu machen. Ein Dilemma? Vielleicht... Ich definiere weder mich selbst noch die Welt über Kategorien, sondern eher über die Ambivalenzen der Kategorien, denn die Ambivalenz provoziert den Dialog.

Soviel erstmal, mehr vielleicht später....

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Lennox



Anmeldungsdatum: 25.04.2017
Beiträge: 10

BeitragVerfasst am: 27. Apr 2017 21:11    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für das kurze aber einsichtige Statement über den Begriff Kategorie, auf Basis welchem ich nun deine vorangegangene Kritk verstehen kann. Ich glaube wir bewegen uns nicht ganz so weit von einander weg, wie es erscheinen mag.

Du übst Kritik an meiner Darstellensweise. Ich gebe zu, mit klaren kategorischen Prinzipien zu arbeiten, wenn es um die Erklärung einer Erklärung geht. Das heißt, sofern ich die ein Thema welches etwas zu erklären versucht, unabhängig von der Qualität oder Beweiskraft aufzeichne, ich mir wenig Mühe gebe mit der Ambivalenz. Um Mal mit deinen Vokabeln zu hantieren.

Jedenfalls würde ich genauso über das Thema Adam und Eva aufklären. Es ging mir um Klarheit in Bezug der genzentrischen Sicht. Diese geht natürlich davon aus den erheblichen Teil unter einen Hut zu bringen, bezüglich der natürlichen Selektion. Ich habe eigentlich noch keine gefestigte Meinung, wie viel Erklärungsrelevanz die Alternativen mit sich bringen. Bisher waren Sie mir aber zu schwammig und uneinheitlich, als dass sie als Teil der Wahrheit oder Ambivalenz herangezogen werden konnten.

Wenn die Einheit der natürlichen Selektion das Gen ist, dann ist seine Funktion die Replikation und die maximierte Größe, sein eigenes Überleben. Ist das Einzelorganismus die Einheit der Selektion, dann ist seine Funktion das „Vehikel“ und die maximierte Größe ist die Gesamtfitness.
Unter der Gesamtfitness ist zu verstehen: Die Größe, die ein Individuum zu maximieren scheint, wenn es in Wirklichkeit das Überleben der Gene maximiert.
Das ist das „Dogma“ des Genzentralismus.

Mein Punkt, weshalb ich es wichtig finde, ist die von Dawkins aufgezeigte Vielfältigkeit bei der Erklärung der Phänomene, welche er nicht nur in „das egoistische Gen“ sondern besonders in „der erweiterte Phänotyp“ darzustellen vermochte. Und diesen werde ich im weiteren Verlauf verteidigen und erläutern.

Zitat:
„Für alle diese Gene kann ich einen gewissen Egoismus annehmen, da es tatsächlich nur um die Erhaltung der Sequen zu gehen scheint. Je mehr phänotypische Relevanz ein Gen jedoch besitzt, desto altruistischer muss es werden, um durch Kooperation erhalten zu bleiben.“


Altruistischer für was? Um durch die Kooperation erhalten zu bleiben. Das muss auch so betont werden. Es ist also doch wieder ein egoistischer Grund, der vorausgesetzt wird.

Zitat:
„So existieren also Genpools, welche letztendlich auch durch den Phänotypen repräsentiert sind. Damit meine ich alle phänotypischen Dimensionen, also auch z.B. RNA- Phänotypen.“


Diese isolierten Genpools sind meistens bekannte Allele (Genotyp) in einem weniger bekanntem Zusammenspiel. Jedoch zeichnen sich die aller meisten Phänotypen, auch die erweiterten Phänotypen, durch hochkomplexe biochemische Zwischenschritte und Wechselwirkungen aus.

Zitat:
„Dawkins Argumentation ist dicht und es ist zudem notwendig, in dieser Art zu polarisieren, wenn man populärwissenschaftlich schreiben und erfolgreich sein möchte. Dennoch wirkt Selektion nicht ausschließlich auf ein einzelnes Gen und ich halte das für eine sehr reduktionistische Anschauung. Selektion wirkt auf einen Genpool.“


Ein Gen, das mit den meisten anderen Genen, die es in aufeinanderfolgenden Körpern wahrscheinlich treffen wird, das heißt mit den anderen Genen im Genpool, gut zusammenarbeitet, wird gewöhnlich im Vorteil sein.
Zum Beispiel gibt es eine Reihe von Eigenschaften, die in einem effizienten Körper eines Fleischfressers wünschenswert sind, darunter scharfe Reißzähne, die richtige Art von Eingeweiden zum Verdauen von Fleisch und viele andere. Ein effizienter Pflanzenfresser andererseits braucht flache Mahlzähne und einen viel längeren Verdauungstrakt mit einer anders gearteten Verdauungschemie. In einem Genpool von Pflanzenfressern wäre jedes neue Gen, das seinen Besitzer mit scharfen Fleischfresserzähnen ausstattet, nicht sehr erfolgreich. Und zwar nicht, weil Fleischfresser allgemein eine schlechte Eigenschaft ist, sondern weil man nicht effizient Fleisch verzehren kann, wenn man nicht außerdem die richtige Art von Verdauungsapparat und all die anderen Eigenschaften besitzt, die für eine fleischfressene Lebensweise nötig sind. Gene für scharfe Fleischfresserzähne sind nicht an sich schlechte Gene. Sie sind schlechte Gene lediglich in einem Genpool, der von Genen von Pflanzenfressereigenschaften beherrscht wird.
Die „Umwelt“ eines Gens besteht überwiegend aus anderen Genen, von denen jedes selbst wiederum wegen seiner Fähigkeiten selektiert worden ist, mit seiner Umwelt von anderen Genen zusammenzuarbeiten. Diese Konstellationen, die häufiger zusammen auftreten, lassen sich genau so gut mit der genzentrischen Sicht beschreiben, wie wenn man den Phänotyp des Organismus/ der Population betrachtet.
Andererseits jedoch, lassen sich nicht alle Phänomene, insbesondere die Verhaltensweisen von Eubakterien, durch die Betrachtung eines Einzelorganismus beschreiben. Konkret: An jedem genetischen Locus wird mit größter Wahrscheinlichkeit dasjenige Gen begünstigt, das sich mit dem von den anderen Genen geschaffenen genetischen Klima vertrögt und in diesem Umfeld über mehrere Generationen hinweg überlebt. Da das gleiche Prinzip auf jedes einzelne Gen zutrifft, das zu dem Klima beiträgt – man kann auch sagen: da jedes Gen ein Teil des Klimas jedes anderen sein kann -, entwickelt sich der Genvorrat einer Spezies in der Regel zu eines Gruppe gegenseitig verträglicher Partner.
Das, so sehe ich das, steht in keinem Widerspruch zu deinen Beispielen oder jeglichen mir bekannten Beispielen aus der Evolutionsforschung. Es ist dafür eine einheitlichere, umfassendere Vorstellung von der Evolution der Kooperation als das wachsweiche Gerede über die Selektion des Organismus als „Einheit“. Die eigentliche Krux ist, dass es keine konkrete Hypothese aufstellt, die man nachweisen könnte, sondern eine Anschauung vermittelt, mit welcher wir alle möglichen Phänotype und Ethnotype beschreiben können.
Zitat:

„Deswegen bin ich immer skeptisch gegenüber Kategorien, weil sie nicht wahr sein können, da es eben Kategorien sind. Die Wahrheit selbst ist wie sie ist, ob erfassbar oder nicht.“


Die „Wahrheit“ ist aber nicht das Thema von Naturwissenschaften. Erkläre doch Mal einem Physiker, er soll mit mehr als nur Punkten und einfachen Wellenfunktionen rechnen. Selbst vom Atom haben wir noch kein grundlegendes Verständnis, oder meinst du, der Teilchen-Wellen-Dualismus ist Ausdruck von unserem Wissen über das wahrhaftige Wesen eines Elementarteilchens?
Wir kennen nur einen Bruchteil eines Bruchteiles einer Wechselwirkung-Verkettung von Genen und meinen daraufhin „wahrhaftige“ Aussagen über Selektion treffen zu können?
Das ist natürlich nicht der Fall und das ist mir wichtig zu erwähnen. Es geht um Wissenschaft, was ein langer, fast schon maänderner Prozess ist.
Hedera



Anmeldungsdatum: 08.03.2011
Beiträge: 657

BeitragVerfasst am: 28. Apr 2017 10:15    Titel: Antworten mit Zitat

Ich fahre euch jetzt einfach mal in die Parade rein, oder wollt ihr lieber zu zweit diskutieren? Eine dirtte Meinung macht es natürlich komplexer... Grins

Ich würde gerne mal ganz anders anfangen. Wir drei sind vom Fach, also können wir dann hier (durchaus zum leidwesen anderer, dafür aber für uns deutlich leichter) ein etwas höheres Niveau anschlagen. Das macht überwiegend die Formulierungen deutlich leichter.
Außerdem würde ich einfach der Fairnishalber mal sagen, dass wir Abstand von Dawkins nehmen und die Thematik für sich diskutieren und nicht über die Art und Weise, wie er es verkauft. Das heißt natürlich nicht, dass seine Argumente/Thesen nicht verwendet werden sollen.

Wenn wir ergründen wollen, worauf die Selektion wirkt, dann kommen wir nicht drum herum Selektion klar zu definieren.

Ich habe eine Definition gegeben

Zitat:
Nach meiner Auffassung ist es grob gesagt das "Bevorzugen" von Merkmalen/Eigenschaften, die gegenüber anderen Merkmalen/Eigenschaften weniger gut in bezug auf die Umwelt geeignet sind.


Hier nach ist Selektion zunächst als Konsequenz zu verstehen und nicht als Prozess.

Der eigentliche Prozess stellt die Interaktion zwischen Einheit und Umwelt dar.

Jetzt müssen wir eine ganze Latte an wichtigen Dingen beachten und die ist sicherlich auch nicht komplett:

1. Der Fortpflanzungstyp spielt eine wichtige Rolle, ist jedoch nicht einheitlich (sexuelle, asexuelle, parthenogenese, Teilung, Sprossung....)

2. Änderungen im Erbgut sind nicht außschließlich durch 1. gegeben. Es gibt Mutationen (viele verschiedene Arten), horizontalen Gentransfer, Konjugation

3. Es gibt eine ganze Reihe an "Überlebensstrategien", wie über das R/K-Konzept beschrieben (R und K-Strategen), wobei das viel zu oberflächlich ist. Ich würde eher sagen, dass Möglichkeiten, welche durch die Plastizität des Organismus gegeben sind, entscheident sind (R/K ist hier inkl.)

4. Die Umwelt kann nicht als statisch betrachtet werden. Sie verändert sich stetig nach einem dynamischen Konzept, in welches auch "zufällige" Ereignisse einfließen (Naturkatasrophen, usw.)

5. Interaktionen, wobei hiermit jegliche Art gemeint ist. Individuen intergieren inter/intraspezifisch und mit ihrer Umwelt. Selbiges gilt für Populationen, was in der Regel nicht einfach die Summe der Interaktionen der Individuen ist.

Wir müssen das alles unter einen Hut brigen und sicherlich noch eine ganze Menge mehr, die ich grade nicht beachtet habe. Ihr merkt, dass ich kaum auf molekularer Ebene die Punkte formuliert habe. Der Grund hier für ist einfach: Alle Punkte können/müssen natürlich noch deutlich genauer definiert werden.

Ich warne im übrigen ganz massiv vor irgendwelchen fiktiven Beispielen! Die Evolution ist so komplex und biete so viele Möglichkeiten, dass ich mir ohne weiteres eine parallel Welt erdenken kann, die für sich genommen kausal, völlig logisch und korrekt ist, mit der Realität aber nichts zu tun hat.
Das bedeutet auch gleichzeitig, dass hier die Frage im Raum steht, was wir hier eigentlich diskutieren wollen.

Wollen wir das biologische System als Basis heranziehen und das tun, was wir in der Biologie - aktuell genauer Evolution - in der Regel erforschen: Wie "funktioniert" das Leben. Oder aber wollen wir das ganze in den Bereich der theoretischen Biologie schieben und über Konzepte sprechen, die innerhalb des erdachten Systems funktionieren, allerdings ohne jegliche empirische Prüfung stets das Konzept bleiben?

Hier gibt es kein Richtig und Falsch, allerding vermutlich den Knackpunkt. Ich persönlich bin der Meinung, dass wir Konzepte auch tatsächlich als solche sehen und diskutieren müssen, denn sie sagen nur aus, dass es so sein könnte. Das ist auch das einzige, was wir hier machen können und ist auch genau das was Darwkins macht.

Daher weiß ich so oder so schon, wie die Diskussion hier enden wird:
Es werden sich die Fronten aufbauen und irgendwann kommen wir nicht mehr weiter, weil jeder sein Konzept hat, von dem er überzeugt ist. Und wir haben keine Möglichkeit das Problem zu lösen, da die empirische Forschung einfach nicht weit genug ist.
Das muss euch klar sein. Dennoch kann diese Diskussion natürlich sehr fruchtbar und hilfreich sein und einem persönlich weiterhelfen.
Lennox



Anmeldungsdatum: 25.04.2017
Beiträge: 10

BeitragVerfasst am: 28. Apr 2017 14:24    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Ich fahre euch jetzt einfach mal in die Parade rein, oder wollt ihr lieber zu zweit diskutieren? Eine dirtte Meinung macht es natürlich komplexer...


Das hast du wunderbar mit deinem abschließenden Textabschnitt beantwortet. Ich werde es hier zitieren, weil ich damit vollkommen übereinstimme und es tatsächlich der Dreh- und Angelpunkt ist:

Zitat:
Ich persönlich bin der Meinung, dass wir Konzepte auch tatsächlich als solche sehen und diskutieren müssen, denn sie sagen nur aus, dass es so sein könnte. Das ist auch das einzige, was wir hier machen können und ist auch genau das was Darwkins macht.


Mir sind diese Worte, auch wenn jörg sicherlich ein intelligenter Geselle ist, viel sympathischer als die Umschreibung der Konzepte oder Anschauungen, mit Wörtern wie „dogmatisch“ oder „kategorisch“. Da wir – ich hoffe ich kann auch für jörg sprechen – nun geklärt haben, dass niemand mit seinem Konzept zu übergeordneten Informationen zu greifen sucht und eine „Wahrheit“ hinter allem erkennen kann, mögen wir uns nun etwas sittlicher austauschen. Ich selbst finde das ein oder andere Mal vom guten Ton ab, es sollte aber im Rahmen bleiben.
Zitat:

Ich würde gerne mal ganz anders anfangen. Wir drei sind vom Fach, also können wir dann hier (durchaus zum leidwesen anderer, dafür aber für uns deutlich leichter) ein etwas höheres Niveau anschlagen. Das macht überwiegend die Formulierungen deutlich leichter.


Gut, das ist formell sicherlich hilfreich. Vielleicht bin ich durch das Lesen von populärwissenschaftlicher Lektüre bereits etwas abgeschleift in der Präzesion meines Ausdruckes, ihr könnt also gerne nachhacken.

Zitat:
Außerdem würde ich einfach der Fairnishalber mal sagen, dass wir Abstand von Dawkins nehmen und die Thematik für sich diskutieren und nicht über die Art und Weise, wie er es verkauft.

Ich entschuldige mich schon Mal für meine etwas sensible Art und Weise, mit der ich Persönlichkeiten wie in dem Fall Dawkins in dem Schutz nehme. Diese Art der Achtsamkeit bildete sich bei den zahlreichen Diskussionen mit (meiner Meinung nach schädichen) Ideologen und Fundamentalisten. Nun aber genug davon!

Zitat:
Hier nach ist Selektion zunächst als Konsequenz zu verstehen und nicht als Prozess.


Ganz klar. Es ist daher wichtig zu verstehen, dass die eingebrachten historischen Bewegungen, welche als Alternative Mechanismen der Evolution angeboten wurden (Mutationsmus, Saltationismus) den wesentlichen Kern von Selektion nicht Recht taten. Man kann ja durchaus ein Verfechter von weniger zielgerichteter Drift sein gegenüber adaptivierender Selektion sein, solange man Arten im Hier und Jetzt erforscht - also in "mikroevolutiven" Zeitabständen. Das werden sicherlich die meisten Experten (also Biologen aus der Forschung, weniger die theoretischen Biologen) heute so sehen. Nur hilft uns das natürlich wenig, hochspezielle Einzelmerkmale und Muster in geologischen Zeitabschnitten zu erklären – dort bietet die natürliche Selektion die einzige Theorie, welche bislang die morphologischen Umwandlungen und scheinbar (man beachte: Barer Schein!) zielgerichtete Anagenese zur Komplexität der Arten erklären konnte.
Oder konkret: Bei den ultimaten Fragen (Tinbergens zwei der vier Fragen, nämlich "Warum?" und "Wozu?") werden Muster auf evolutive Zweckmäßigkeit besprochen, wobei natürliche, sexuelle, parentale und u.U. künstliche (diese ist aber schon zielgerichtet) Selektion die zentrale Rolle spielen.

Zitat:
1. Der Fortpflanzungstyp spielt eine wichtige Rolle, ist jedoch nicht einheitlich (sexuelle, asexuelle, parthenogenese, Teilung, Sprossung....)

Ich würde dem Punkt noch den Wachstumsprozess anhängen. Dieser entwickelt nämlich über viele mitotische Zellteilungen erst den fortpflanzungsfähigen Organismus. Der Weg über die „somatische Fortpflanzung“ ist in gewisser Weise gleichzusetzen mit der vegetativen Fortpflanzung, da kein neues genetisches Materiel per se entsteht.

Zitat:
2. Änderungen im Erbgut sind nicht außschließlich durch 1. gegeben. Es gibt Mutationen (viele verschiedene Arten), horizontalen Gentransfer, Konjugation

Da wir momentan annehmen, dass geschlechtliche Fortpflanzung durch eben solche Motive wie Konjugation erst zu Ihrem Keimbahncharakter kam, könnte man natürlich sagen, es wäre in Ordnung diesen Punkt noch bei 1. aufzunehmen und stattdessen Epigenetik/Methylierung des Genoms/Mutagenität als Punkt 2. nehmen, was ja auch isolierbar betrachtet werden könnte.

Zitat:
5. Interaktionen, wobei hiermit jegliche Art gemeint ist. Individuen intergieren inter/intraspezifisch und mit ihrer Umwelt. Selbiges gilt für Populationen, was in der Regel nicht einfach die Summe der Interaktionen der Individuen ist.


Populationen von vegetativen Pflanzen sind aber schon ziemlich nahe an einer „Summe der Individuen“.
Was ich ergänzen würde; dieser Punkt (6) wäre mir noch wichtig: Die Evolution der Evolvierfähigkeit.
Nicht jede Art passt sich schließlich in einer analogen Weise einer anderen Art an. Es gibt Arten, welche sich eben besser anpassen unabhängig von den äußeren (biotischen wie abiotischen) Faktoren. Als Beispiel würde ich die Meeresäuger heranziehen. Unter anbetracht des nicht so wahnsinnig sprunghaften Selektionsdruckes (meines Wissens nach), ist es mir ein Rätsel, weshalb es hier eine (vielleicht nur scheinbar) überschaubare Zahl an (fossilen sowie rezenten) Arten im Meer gibt, wohin gegen sich die aller meisten Säuger entweder kleinschrittig an Extrembedingungen im Trockenen angepasst haben oder zu Grunde gingen. Diese geologisch doch zügige Verwandlung vom "Hippo"- zum "Torpedo"-Typ der Wale, gegenüber hunderten Säugetierarten welche in eine "Sackgasse" liefen und den Flaschenhals nicht passierten, lässt mich darauf schließen: Unterschiedliche Genpools sind unterschiedlich "formbar" was sich nach der Zeit aber ändern kann. So müsste es selbst dem größten Fantaseur schwer fallen, den Gipfel der Fitness-Landschaft eines Wals, manifestiert in seiem "Torpedo"-Körper, in gleichem Schritt wieder zurück ans Angepasstsein am Land vorzustellen.
Vielleicht ist es aber auch einfach mein Primatengehirn, welches die Zeitabstände und Zwischenschritte nicht zu abstrahieren vermag.

Zitat:
Alle Punkte können/müssen natürlich noch deutlich genauer definiert werden.


Dem Lesfluss und der Zeitaufbringung wegen, sollten wir das berücksichtigen keine Kleinbücher zu verfassen. Andererseits ist man manchmal mit einem ausführlichen Ausholer besser beraten, um den Punkt nicht 5 Mal an verschiedener Stelle in verschiedenen Nachrichten zu erklären, was (gerade Neueinsteiger) im Nachhinein noch mehr Zeitaufwand bedeutet.

Zitat:
Ich warne im übrigen ganz massiv vor irgendwelchen fiktiven Beispielen! Die Evolution ist so komplex und biete so viele Möglichkeiten, dass ich mir ohne weiteres eine parallel Welt erdenken kann, die für sich genommen kausal, völlig logisch und korrekt ist, mit der Realität aber nichts zu tun hat.

Dito, wir sind schließlich keine Astrophysiker. ;-) Mir sind einige von Dawkins Geschichten etwas zu weit hergeholt. Weil mir auffällt, dass gewisse Prämissen bereits festliegen, welche wiederum in einer anderen fiktiven Geschichte münden. Und diese hat wiederum andere Prämissen, die teilweise gar querliterarisch (also von meheren Autoren) von Ihm zu einem Punkt zusammengefasst wurden. Dies habe ich jedoch erst bei seinen beiden Biografien im vollem Ausmaße feststellen müssen.

Zitat:
Wollen wir das biologische System als Basis heranziehen und das tun, was wir in der Biologie - aktuell genauer Evolution - in der Regel erforschen: Wie "funktioniert" das Leben. Oder aber wollen wir das ganze in den Bereich der theoretischen Biologie schieben und über Konzepte sprechen, die innerhalb des erdachten Systems funktionieren, allerdings ohne jegliche empirische Prüfung stets das Konzept bleiben?


Mir ist beides Recht, im Sinne der Interesse. Das Erstere kommt ohne der Analysen ähnlicher Vorarbeit von Kollegen der letzten Jahre aber nicht zu einer sinnvollen Aufarbeitung. Wir müssten also entweder blind davon ausgehen auf dem gleichen Stand der Dinge zu sein, oder jedes Mal (der vernünftigere Weg) mit einer Quellenrecherche auffahren, was nicht nur zusätzlichen Zeitaufwand, sondern auch wirtschaftl. Kosten mit sich bringen würde.
Da mich beides nicht überzeugt, tendiere ich zu theoretischen Biologie. Dort braucht es um so mehr Überzeugungsarbeit, die sich in seltenen aber doch einigen Fällen sogar auszahlt, worauf du ja schon eingingst.
Hedera



Anmeldungsdatum: 08.03.2011
Beiträge: 657

BeitragVerfasst am: 02. Mai 2017 17:19    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Mir sind diese Worte, auch wenn jörg sicherlich ein intelligenter Geselle ist, viel sympathischer als die Umschreibung der Konzepte oder Anschauungen, mit Wörtern wie „dogmatisch“ oder „kategorisch“. Da wir – ich hoffe ich kann auch für jörg sprechen – nun geklärt haben, dass niemand mit seinem Konzept zu übergeordneten Informationen zu greifen sucht und eine „Wahrheit“ hinter allem erkennen kann, mögen wir uns nun etwas sittlicher austauschen. Ich selbst finde das ein oder andere Mal vom guten Ton ab, es sollte aber im Rahmen bleiben.


Mit den Kategorien und "dogmatischen Ansichten" ist es immer so eine Sache. Wir brauchen Kategorien, keine Frage. Allerdings dürfen sie nicht zu starr sein. Ein Konzept hat übrigens in der Regel nichts mit Kategorien zu tun...

Zitat:
Gut, das ist formell sicherlich hilfreich. Vielleicht bin ich durch das Lesen von populärwissenschaftlicher Lektüre bereits etwas abgeschleift in der Präzesion meines Ausdruckes, ihr könnt also gerne nachhacken.


Ich meinte damit nicht primär die Wortwahl, sondern eher, dass wir es uns sparen können alles im Detail durchzukauen, damit es auch jeder ohne Vorwissen versteht.

Zitat:
Man kann ja durchaus ein Verfechter von weniger zielgerichteter Drift sein gegenüber adaptivierender Selektion sein, solange man Arten im Hier und Jetzt erforscht - also in "mikroevolutiven" Zeitabständen.


Wir müssen hier aufpassen. Mikroevolution und Makroevolution sind zwar zwei verschiedene paar Schuhe, allerdings stehen sie dennoch in Verbindung. Beobachten können wir faktisch nur Mikroevolution... Daher ist die Makroevolution immer eine schwierige angelegenheit und kann auch nur sehr schwer empirisch untersucht werden.

Zitat:
Da wir momentan annehmen, dass geschlechtliche Fortpflanzung durch eben solche Motive wie Konjugation erst zu Ihrem Keimbahncharakter kam, könnte man natürlich sagen, es wäre in Ordnung diesen Punkt noch bei 1. aufzunehmen und stattdessen Epigenetik/Methylierung des Genoms/Mutagenität als Punkt 2. nehmen, was ja auch isolierbar betrachtet werden könnte.


Ja, das stimmt.

Zitat:
Populationen von vegetativen Pflanzen sind aber schon ziemlich nahe an einer „Summe der Individuen“.

Kommt drauf an. Du darfst hier die phänotypische Plastizität nicht unterschätzen. Klone einer Pflanze können völlig unterschiedlich aussehen, wenn die Umwelt es zulässt/bedingt.
Zitat:

Was ich ergänzen würde; dieser Punkt (6) wäre mir noch wichtig: Die Evolution der Evolvierfähigkeit.

Der Punkt ist natürlich auch wichtig. Ich würde es aber eher so auffassen, dass dies eine Funktion aus Komplexität und daraus resultierende Spezialisierung bildet. Je komplexer und spezieller ein Organismus ist, desto Effizienter ist er auf der einen Seite (nennen wir es mal naiv "besser angepasst"), aber auf der anderen Seite auch starrer, also anfälliger gegenüber starken Änderungen (also abhängig von seiner Umgebung).

Zitat:
Dito, wir sind schließlich keine Astrophysiker. ;-) Mir sind einige von Dawkins Geschichten etwas zu weit hergeholt. Weil mir auffällt, dass gewisse Prämissen bereits festliegen, welche wiederum in einer anderen fiktiven Geschichte münden. Und diese hat wiederum andere Prämissen, die teilweise gar querliterarisch (also von meheren Autoren) von Ihm zu einem Punkt zusammengefasst wurden. Dies habe ich jedoch erst bei seinen beiden Biografien im vollem Ausmaße feststellen müssen.

Genau das ist der Grund, weshalb ich das alles von ihm sehr schwierig und kritisch sehe... Man muss in der Lage sein, seine Texte einordnen zu können. Geht dies nicht, führt es meines Erachtens unweigerlich zu einem falschen Bild der Realität, aber lassen wir das an dieser Stelle...
Zitat:

Da mich beides nicht überzeugt, tendiere ich zu theoretischen Biologie. Dort braucht es um so mehr Überzeugungsarbeit, die sich in seltenen aber doch einigen Fällen sogar auszahlt, worauf du ja schon eingingst.

Die theoretische Biologie kommt auch nicht ohne empirische Untersuchungen klar, benötigt allerdings nicht so viel extra Arbeit, weil wir eben explizit Annahmen treffen können. Hier ist dann nur wichtig, das Annahme entsprechend zu begründen bzw. empirisch zu zeigen. Das ist leichter. Das Problem ist allerdings, dass wir eben schnell in wirklichkeitsfremde Konzepte geraten können. Ich würde daher eher versuchen den Mittelweg zu finden, da ich auch nicht die Zeit habe erstmal 10 Arbeiten zu lesen...
Lennox



Anmeldungsdatum: 25.04.2017
Beiträge: 10

BeitragVerfasst am: 02. Mai 2017 22:36    Titel: Antworten mit Zitat

Nun gut, da wir beide im Großen und Ganzen d'accord gehen, reicht mir die Basis um nun auf deine indirekte Frage einzugehen, welche sich aus folgendem stellt:

Zitat:
Der eigentliche Prozess stellt die Interaktion zwischen Einheit und Umwelt dar.


Was ist nun die Einheit von was und kam das Ei vor der Henne oder umgekehrt?

Interessanterweise wird oft die zweite Frage gestellt und als Dilemma hingestellt, dabei gibt uns die Evolutionsbiologie heute eine unmissverständliche Antwort auf diese: Das Ei. Das Dilemma liegt meiner Meinung eher bei der ersten Frage.

Da wir hier im Forum die Namen Dawkins und Wilson in der Überschrift haben und ich Dawkins` Sicht der Dinge weiter oben bereits dargelegt habe (orientierend an seinem zuletzt verfassten Buch), könnte ich hier den nicht weniger kontroversen Wilson aufbereiten, aber diese Positionen haben sicherlich weit aus größeren historischen Wert, als dass eine der beiden in den nächsten Jahrzehnten komplett die evolutionsforschende Gemeinde auf seine Seite ziehen wird.

Bevor wir uns der Frage widmen hier noch ein Gedanke der mir wichtig ist:
1) Es muss an der Stelle klar sein, dass wir hier von ultimaten Ursachen sprechen, also nach dem "blinden Uhrmacher" suchen. Dieser Job wird ganz alleine von der natürlichen Selektion über die Jahrtausende und Jahrmillionen bewerkstelligt. Die Drift ist in dem Zusammenhang in der gleichen Ordnung wie Reproduktion und Variation, ein nicht zu vernachlässigender Teil, aber eben keine leitende Instanz auf der sich ultimate Fragen beantworten lassen.
Anders sieht es bei proximaten Ursachen aus, aber das ist ja lediglich "nur" der Zoom in die Einzelschritte der Morphogenese, welche wiederum durch Selektion zu zweckmäßigen Mustern kommt.

2) Der Zweck von Selektion ist die Maximierung der Gesamtfitness.
Das ist der mir bekannte sparsamste Weg für die Beschreibung von Verwandtenselektion, von eusozialen Insekten, usw.

Mit diesen beiden Punkten im Kopf, können wir nun analysieren, welche Einheit der Zweckmäßigkeit zugrunde liegt und wohin die Reise geht:
Meiner Meinung nach zu dem schlüssigen Bild: Replikatoren sind der wahre Nutznießer der Zweckmäßigkeit der Selektion, welche das zentrale Standbein der Evolution darstellt. Gene sind also viel direkter von einer verallgemeinernden Definition von Selektion betroffen.

Sprich: Die Einheit -> die Replikatoren -> die Gene, müssten nun unmittelbar an einer Interaktion mit der Umwelt beteiligt sein. Das ist aber selbstverständlich nicht gegeben, weshalb nun der Begriff Initiator oder Vehikel ins Spiel kommt der auf die übergeordnete Einheit angewendet werden muss.
Weshalb wir nicht direkt verkürzt das Individuum als Einheit betrachten sollten, habe ich jörg bereits kurz zu erläutern versucht.

Bevor ich also fortfahre, würde ich gerne von euch beiden wissen, ob ihr mir bislang folgen konntet. Es nützt ja nichts, hier vortragsmäßig zu untersuchen, wie weit man eine Argumentationskette treiben kann. Mich interessiert viel eher, ob wir uns über das Wesen der Evolution einig sind. Von dort aus können wir ganz speziell Beispiele besprechen.
Hedera



Anmeldungsdatum: 08.03.2011
Beiträge: 657

BeitragVerfasst am: 08. Mai 2017 10:13    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Was ist nun die Einheit von was und kam das Ei vor der Henne oder umgekehrt?

Interessanterweise wird oft die zweite Frage gestellt und als Dilemma hingestellt, dabei gibt uns die Evolutionsbiologie heute eine unmissverständliche Antwort auf diese: Das Ei. Das Dilemma liegt meiner Meinung eher bei der ersten Frage.


Genau bei dieser Frage wird deutlich, dass Kategorien hier versagen. Warum muss überhaupt eins von beiden zu erst da gewesen sein? Klar, Eier gibt es länger als Hühner, aber Hühnereier und Hühner ist so eine Sache... Wir definieren die Art, dies ist unsere Kategorie um die Systematik und Evolutionsgeschichte darstellen zu können. Kann es daher ein Hühnerei geben, bevor es von einem Huhn gelegt wurde?
Meines erachtens geht das eine ohne das andere nicht. Die Antwort heißt daher eher "weder noch", denn es trat gleichzeitig auf. Tatsächlich ist diese Frage allerdings völlig sinnfrei, denn es ist reine Definition der Kategorie.

Zitat:
Es muss an der Stelle klar sein, dass wir hier von ultimaten Ursachen sprechen, also nach dem "blinden Uhrmacher" suchen. Dieser Job wird ganz alleine von der natürlichen Selektion über die Jahrtausende und Jahrmillionen bewerkstelligt. Die Drift ist in dem Zusammenhang in der gleichen Ordnung wie Reproduktion und Variation, ein nicht zu vernachlässigender Teil, aber eben keine leitende Instanz auf der sich ultimate Fragen beantworten lassen.
Anders sieht es bei proximaten Ursachen aus, aber das ist ja lediglich "nur" der Zoom in die Einzelschritte der Morphogenese, welche wiederum durch Selektion zu zweckmäßigen Mustern kommt.


Hier stimme ich dir nicht zu. Natürlich fragen wir nach der ultimaten Ursache. Diese ist aber nicht die Selektion, weil sie nach der Definition oben, nur der Prozess ist, welche zur Ursache führt. Die eigentliche Ursache ist das was wir als Artbildung definieren, also die unterschiedliche Entwicklung von Populationen und Individuen. Diese kann nicht hinreichend durch reine Selektion beschrieben werden. Denn Selektion, wie wir sie oben definiert haben, kann nur "gut" und "schlecht" unterscheiden. Zufall und Katastrophen werden also expilizit ausgeschlossen, nicht zu letzt weil es unkalkulierbare Größen sind, die allerdings massiven Einfluss auf die Evolution haben.

Zitat:
Der Zweck von Selektion ist die Maximierung der Gesamtfitness.

Bei der Selektion von Zweck zu sprechen sehe ich kritisch, da sie sich aus der Summe der Gegebenheiten (Umwelt, Genom, Verhalten, Zufall,usw.) zwangsläufig ergeben muss. Und das hilft uns auch nicht viel bei der Frage, was die Einheit der Selektion ist.

Zitat:
Das ist der mir bekannte sparsamste Weg für die Beschreibung von Verwandtenselektion, von eusozialen Insekten, usw.

Das Prasimonie konzept macht natürlich sinn. Allerdings wäre ich vorsichtig zu behaupten, dass es immer greift. Es ist schwierig zu zeigen, dass für den Schritt von A nach B tatsächlich der "sparsamste Weg gewählt wurde".

Zitat:
Meiner Meinung nach zu dem schlüssigen Bild: Replikatoren sind der wahre Nutznießer der Zweckmäßigkeit der Selektion, welche das zentrale Standbein der Evolution darstellt. Gene sind also viel direkter von einer verallgemeinernden Definition von Selektion betroffen.

Diese Aussage hat meiner Meinung nach nur dann bestand, wenn auch gilt, dass unser Individuum ausschließlich das Produkt dieser ist.

Diese Annahme gilt aber nicht. Ein Individuum ist das Produkt der Umwelt im Rahmen der "genetischen Möglichkeiten". Das Individuum kann also auch mit Phänotyp gleichgesetzt werden. Das Genom definiert die Möglichkeiten. Die tatsächliche Ausprägung wird aber von der Umwelt so starkt bestimmt, wie es nur geht und da geht eine ganze Menge.

Ach ja, noch eins: Sorry falls ich mal was länger nicht antworte. Das ist meiner geringen Zeit geschuldet...
jörg



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BeitragVerfasst am: 08. Mai 2017 10:57    Titel: Antworten mit Zitat

uiuiui, was hier so passiert, wenn man mal einige Tage nicht da ist.....

Werden interessante Aspekte ausgetauscht, so dass ich mich mal wieder "einklinke".

Ich habe generell etwas Probleme mit der Ansicht, dass eine genetische Sequenz in jedem Fall über ein Vehikel mit einer Umwelt in Interaktion tritt, was daran liegen könnte, dass ich momentan auch an der Evolution eines Retrotransposons in einem Gen arbeite, welches für ein Protein der Gerinnungskaskade kodiert. Diese Retrotransposons und viele andere genetische Elemente haben ihre Sequenz bzw. ihre Struktur einigermassen konserviert und aufgrund ihres Replikationsmechanismus für einen Erhalt innerhalb der Primaten gesorgt. Es ist hier egal, ob das eine Gen, in das sie inseriert haben, mutiert oder ganz aus dem Genom herausfliegt, ihre Sequenz ist replikativ und gesichert, solange es Primaten gibt. Sie kodieren allerdings nicht für eine biologisch aktive RNA, sind also kein Gen im Definitionssinn. Dennoch werden sie transkribiert. Solche und ähnliche Sequenzen sind sehr häufig in den Genomen zumindest aller Säugetiere, es gibt derer unendlich viele. Ein anderes Beispiel wären die endogenen Retroviren, deren Sequenzen fest in die Genome integriert sind, aber die auch keine -oder nur in seltenen Fällen- biologisch aktive RNAs bilden.

Diese Sequenzmotive und ihr effizienter Erhalt innerhalb der Populationen führt mich nun zu der Frage, ob es nicht auch sein könnte, dass eine Sequenz unter bestimmten Bedingungen am sichersten im Genpool erhalten bleibt, wenn es überhaupt nicht der Selektion unterliegt, also sich einfach repliziert. Auch dieses Motiv benötigt ein Vehikel, richtig, es hat jedoch keine phänotypische Konsequenz und unterliegt nicht dem Selektionsdruck. Hier könnte man sagen, dass es natürlich indirekt der Selektion unterliegt, da das Gen, in das es inseriert, dadurch irgendwie regulatorisch beeinflusst wird. Stimmt auch. Aber wie dieser Einfluss aussieht, kann diesem Motiv ziemlich egal sein, da im Falle einer bestimmten Regulation halt zum einen ein sehr gravierender Nachteil entsteht, welcher dann durch andere Mutationen ausgeglichen werden muss (oder auch ein Vorteil) und zum anderen diese Sequenzen dermassen häufig vorkommen, dass ein vollständiges Verschwinden aus dem Genpool extrem unwahrscheinlich ist.
Wenn man in der Evolution noch weiter "zurück" geht, gehören auch die Introns irgendwie zu Sequenzmotiven, welche keine phänotypische Relevanz haben (oder ausschließlich über regulative Einflüsse). In unseren Genomen existieren also viel mehr regulatorische Domänen als codierende und ich muss die Frage aufwerfen, ob eine Sequenz nicht am optimalsten angepasst sein könnte, wenn sie gar keine phänotypische Relevanz hat, denn dann ist ihr Erhalt einigermassen gesichert, solange das Vehikel existiert. Nun ist es aber so, dass ich von einem System ausgehe, in dem Phänotypen existieren und entstanden sind, ich glaube aber, dass Selektion auf genetischer Ebene etwas anderes bedeutet, als Selektion auf phänotypischer Ebene. Auf genetischer Ebene muss ein Idividuum dafür sorgen, dass "alles läuft", dass also gewisse Sequenzen eben nicht am Phänotypen beteiligt sind, andere aber schon. Die Selektionsmodelle, die ich kenne, orientieren sich meiner Meinung nach zu sehr an kodierenden Sequenzen und müssen deshalb überdacht werden.

Zu anderen Dingen vielleicht später, wenn ich alle Beiträge nochmal etwas sorgfältiger gelesen habe.

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Lennox



Anmeldungsdatum: 25.04.2017
Beiträge: 10

BeitragVerfasst am: 10. Mai 2017 22:38    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Wir definieren die Art, dies ist unsere Kategorie um die Systematik und Evolutionsgeschichte darstellen zu können.

Das stimmt aber es ist doch nicht rückschlüssig eine Kategorie, weil wir es deskriptiv weiterverwenden, als andere Begriffe. Eine Artdefinition ist isoliert betrachtet ein Versuch Tiere systematisch zu einem Taxon zuzuordnen. Natürlich gibt es keine realen Taxa, jedoch gibt es genauso wenig „Luft“.
Zitat:
Kann es daher ein Hühnerei geben, bevor es von einem Huhn gelegt wurde?

Dazu müssen wir die biologische Binsenweißheit: „Tochtergeneration ist immer derselben Art wie Muttergeneration“ überdenken. Tatsächlich musste es doch einen Punkt geben, an dem zumindest die morphologische Art Huhn sich von einer Mosaikart trennte (in der Embryogenese) der letzte Zwischenschritt war also vom nicht-Huhn zu Huhn, was ja ausschließlich nach der Befruchtung im Ei abgespielt haben muss. Das es keine Speziation in dem üblichen Sinne ist, braucht uns nicht weiter zu tangieren, den die strenge Artdefinition, nach der zwei Organismen Enkelpotenz brauchen um unter dieselbe Art zugeschrieben zu werden ist mMn veraltet. Wie sonst erklären sich die 5% Neanderthaler in unserem Genom? Es ist völlig genügend, dass ein letzter gemeinsame Vorfahre bspw. eine Gründerpopulation anführt und in die Nachkommen des ersten Huhn überleben und sich solange isoliert aufhalten, bis sie der strengen biologischen Artdefinition gerecht werden. Dass sie sich zwischendurch noch quer paaren (wie bei heutigen Ring Spezies oder eben den Neanderthalern) ist eben das übliche Verfahren, ausgeschlossen sind flugunfähigen Inselbewohner und Kleintiere für die ein Fluss bereits als geografische Barriere bietet.
Zitat:
Meines erachtens geht das eine ohne das andere nicht. Die Antwort heißt daher eher "weder noch", denn es trat gleichzeitig auf. Tatsächlich ist diese Frage allerdings völlig sinnfrei, denn es ist reine Definition der Kategorie.

Ich finde wie oben beschrieben, dass es einen „Erst-Artling“ geben musste, aber richtig ist, dass wir „Arten“ erst nach ihrer Bildung an der Kette von nie endenden unvollkommenen Zwischenstufen bestimmen können. Genauso wir „Luft“ als verhältnistreue Gasgemisch bezeichnen, ohne die Luft von gestern und die Luft von morgen rechnerisch in die Definition einzubeziehen. Wieso sollten wir also an der gleichsam unbedeutenden „Tochtergeneration ist immer derselben Art wie Muttergeneration“ Regel festhalten? Ist sie nicht genauso willkürlich?
Zitat:
Natürlich fragen wir nach der ultimaten Ursache. Diese ist aber nicht die Selektion, weil sie nach der Definition oben, nur der Prozess ist, welche zur Ursache führt. Die eigentliche Ursache ist das was wir als Artbildung definieren, also die unterschiedliche Entwicklung von Populationen und Individuen.

Die ultimaten Fragen beschränken sich ja auf die zwei Fragen Tinbergens „Wozu“ und „Warum“. Dort macht es wenig Sinn nach allen Ursachen zu Speziation zu suchen, beziehungsweise die zufälligen miteinzubeziehen. Diese hatten nämlich gar keinen Zweck. Im der Evolutionsforschung werden die umweltbedingten zufälligen Ausleseereignisse statistisch erfasst, jedoch nur als Erklärung herangezogen, wenn sie tatsächlich zu einem bedeutenden Flaschenhals führten. Zufälligen Ereignisse können die ultimaten Fragen nicht im Ansatz beantworten. Zufälligen Umweltbedingungen bilden das Milieu in dem der Rohstoff (Genpools) der Selektion verweilt, bis diese ihn „formt“ oder er verschwindet. Die Selektion ist daher immer unmittelbar mit der Umwelt verbunden – wie kommt man eigentlich drauf, dass die Selektion ohne den Zufallsereignissen überhaupt wirken könnte, wenn sie doch lediglich ein Prinzip ist, nach welchem Gene zur Vererbung „freigegeben“ werden (was du richtig anmerkst). Jedoch können die Zufallsereignisse keine ultimaten Fragen beantworten, sondern lediglich proximate Fragen. Wenn wir uns eine Katastrophe vorstellen, die zufällig 99% aller Artgenossen getötet hat, und der 1% Überlebender, hat keine, aber auch wirklich gar keine zum überleben notwendigen Eigenschaften gehabt, sondern war zufälligerweise zur richtigen Zeit am richtigen Ort, dann stellt sich überhaupt keine Frage mehr. Es war also blanker Zufall und dieser ist kein Gebiet mehr auf dem ein Biologe von einem Mechanismus der Evolutions erklärenden Theorie spricht. Es ist dennoch Evolution, nur eben nicht in Form einer Theorie, sondern im Sinne einer historisch einmaligen, zufälligen Gegebenheit.
Zitat:
Bei der Selektion von Zweck zu sprechen sehe ich kritisch, da sie sich aus der Summe der Gegebenheiten (Umwelt, Genom, Verhalten, Zufall,usw.) zwangsläufig ergeben muss. Und das hilft uns auch nicht viel bei der Frage, was die Einheit der Selektion ist.

Die Frage nach dem Zweck ist das wesentliche an der Evolutionsbiologie. Bei größeren Umwälzung der Gesamtstruktur eines Körpers von einem Gipfel der Anpassung zu einem anderen (bestes Beispiel: Endoparasiten) ist es das A und O um das Gesamtbild zu verstehen
Zitat:
Es ist schwierig zu zeigen, dass für den Schritt von A nach B tatsächlich der "sparsamste Weg gewählt wurde".

Das stimmt, man muss sich oft durch einiges an Texten wälzen um solchen Anspruch für seine Idee zu erheben. Prinzipiell halte ich es aber für einen produktiven Vorgang.
Diese Aussage hat meiner Meinung nach nur dann bestand, wenn auch gilt, dass unser Individuum ausschließlich das Produkt dieser ist.
Zitat:
Diese Annahme gilt aber nicht. Ein Individuum ist das Produkt der Umwelt im Rahmen der "genetischen Möglichkeiten". Das Individuum kann also auch mit Phänotyp gleichgesetzt werden. Das Genom definiert die Möglichkeiten. Die tatsächliche Ausprägung wird aber von der Umwelt so starkt bestimmt, wie es nur geht und da geht eine ganze Menge.

Das ist der spannendste Abschnitt, dazu will ich mich später noch vertiefender äußern, darum wird sich glaube ich, auch einiges noch drehen. Ebenso werde ich noch auf Jörgs interessanten Beitrag eingehen. Lasst euch ruhig eure Zeit mit dem antworten, niemand ist in Eile. :-)
jörg



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BeitragVerfasst am: 11. Mai 2017 13:26    Titel: Antworten mit Zitat

Sorry, aber ich liege noch etwas zurück und beziehe mich noch auf "weiter oben" stehende Argumente.

Lennox hat Folgendes geschrieben:

Wenn die Einheit der natürlichen Selektion das Gen ist, dann ist seine Funktion die Replikation und die maximierte Größe, sein eigenes Überleben. Ist das Einzelorganismus die Einheit der Selektion, dann ist seine Funktion das „Vehikel“ und die maximierte Größe ist die Gesamtfitness.
Unter der Gesamtfitness ist zu verstehen: Die Größe, die ein Individuum zu maximieren scheint, wenn es in Wirklichkeit das Überleben der Gene maximiert.
Das ist das „Dogma“ des Genzentralismus.


Und damit bin ich nur bedingt einverstanden. In der Argumentation wird womöglich davon ausgegangen, dass es Phänotypen geben muss. Es gibt sie, unbestritten, und wenn sie nun mal existieren, findet darüber auch Selektion statt.
Die Überlegung könnte, wie oben angedeutet, aber auch bedeuten, dass Phänotypen allgemein ein Zeichen "unvollständiger Anpassung" aus der genzentrischen Sicht sind und somit ein "biologisch notwendiges Übel". Nach meiner Ansicht könnte das die Fortführung dieser Argumentation bedeuten. Das würde allerdings mit sich bringen, dass in einer "optimal angepassten Welt" keine Vehikel, also kein Leben, wie wir es kennen, mehr existiert. Diese Argumentation steht ein wenig in Ambivalenz zu den Thesen, wie das Leben entstanden ist. Entweder bestand dieses Problem seit Anbeginn des Lebens oder wir müssen die genzentrische Sicht für die Erklärung einiger Phänomene verlassen, nämlich genau dann, wenn wir in die Interaktion zwischen eines Phänotypen bzw. einer Population mit ihrer Umwelt gehen. Ich glaube, dass uns eine zu sehr genzentrische Sicht hier einfach nicht weiterhilft, weil sie eben den Phänotypen einzig als Ausdrücke der genetischen Disposition sehen muss und damit zum o.g. Punkt führt (optimale Anpassung bedeutet die Nicht-Existenz von Phänotypen). Ich möchte damit lediglich die Polaritäten darlegen, zwischen denen wir uns, wie ich glaube, bewegen. Beide Sichtweisen werden die Realität nicht adäquat abbilden können, beide Sichtweisen können uns jedoch Aspekte der prinzipiell beobachtbaren Wirklichkeit (um den Begriff der Wahrheit hier nicht zu gebrauchen, denn der scheint mir nach Lennox' Ausführung dann doch ein bischen zu stark zu sein, womit ich zum nächsten Punkt kommen möchte:

Lennox hat Folgendes geschrieben:
Die „Wahrheit“ ist aber nicht das Thema von Naturwissenschaften.


Im Prinzip schon. Womöglich ist der Begriff "Wahrheit" hier zu stark, wenn wir ihn jedoch durch "prinzipiell beobachtbare Wirklichkeit" ersetzen, trifft das den Punkt, mit dem Wissenschaften sich beschäftigen: Modelle zur Erklärung der uns umgebenden Wirklichkeit zu etablieren. Durch solche Modelle werden Weltbilder verändert. Der Impuls der Wissenschaft ist also durch die beobachtbare Wirklichkeit inspiriert, der Zweck ist das Generieren von Weltbildern, welche u.a. durch pragmatischen Nutzen definiert sind.
Das diese Modelle niemals den Anspruch auf vollständige Wahrheit erheben können, scheint dabei klar, wichtig ist auch nicht ihr "tatsächlicher Wahrheitsgehalt" sondern ihre Anwendbarkeit. Dann können wir zumindest einen partiellen Wahrheitsgehalt postulieren.
Dennoch sollen sie Phänomene der beobachtbaren Wirklichkeit erklären können und das möglichst ohne das Problem "in andere Sphären" zu verschieben (Adam und Eva, Gott, intelligent Design), die von ihrem Prinzip her nicht prüfbar sind. Damit ist der Erkenntnisgrad der Wissenschaft hoch, die Komlexität der prinzipiell gewinnbaren Erkenntnisse jedoch eher niedrig. Zudem wirft sich stets die Frage auf, was prinzipiell beobachtbar ist und was wir mit unseren Methoden erfassen können, also der Verscuh, zwischen dem Erkenntnishorizont und dem Methodenhorizont zu unterscheiden. Das viel auch größeren Denkern nicht immer leicht, wie an Immanuel Kant oder Karl Popper oder anderen zu beobachten ist. Was sie möchten, ist eine Aussage über die prinzipiell beobachtbaren Erscheinungen zu treffen, also den Anspruch zu erheben, sich mit dem Erkenntnishorizont zu beschäftigen. Was sie tun ist, den Stand der Naturwissenschaften zu einem gegebenen Zeitpunkt zu erfassen.

Lennox hat Folgendes geschrieben:
[...] oder meinst du, der Teilchen-Wellen-Dualismus ist Ausdruck von unserem Wissen über das wahrhaftige Wesen eines Elementarteilchens?


Ich lasse zumindest die Möglichkeit zu, dass des das sein könnte. Das könnte zu der Annahme passen, dass sich diese Welt durch die Ambivalenzen definiert, was ich auch glaube. Ich denke, dass es durchaus sein könnte, "dass auch Gott der Heisenbergschen Unschärfe" unterliegt, um es mal etwas pathetischer auszudrücken....

Ich glaube, dass die zu sehr genzentrische Sichtweise auch ein Ausdruck unserer Gegenwart ist, denn ich glaube nicht, dass die DNA schon immer die Stabilität hatte, die sie heute hat, ich denke (und es gibt Erkenntnisse, die dafür sprechen), dass die ursprünglichen Nukleotidverbindungen viel reaktionsfreudiger waren, als wir es heute beobachten und die Umwelt erst eine Umgebung schuf, in welcher diese heute beobachtbare Stabilität gewährleistet war. Die ersten Nukleotidverbindungen könnten also einer viel gößeren Instabilität unterlegen gewesen sein, welche durch die Umwelt und damit das physikalisch-chemische Milieu bedingt waren. Die genzentrische Sicht geht meiner Meinung nach also auch von einer Erhaltungsstabilität aus, die mich wieder zu der Frage führt: Ist diese Sicht auf die Dinge ein Erklärungsmodell für die prinzipiell beobachtbaren Erscheinungen oder nur ein "Spiegel unserer Zeit"....


Lennox hat Folgendes geschrieben:
Altruistischer für was? Um durch die Kooperation erhalten zu bleiben. Das muss auch so betont werden. Es ist also doch wieder ein egoistischer Grund, der vorausgesetzt wird.


Richtig. Dieses Argument leiße sich jedoch auch Umdrehen und führte dann zu der Aussage, dass Egoismus nur ein Mittel zum Altruismus ist. Ich denke, beide Aussagen haben ihre "Richtigkeit", aber jede Aussage legt eine andere Prämisse zugrunde, die eine den Egoismus, die andere den Altruismus und versucht so, sich das jeweils andere "untertan" zu machen, also seinem Zweck zuzusprechen. Ich glaube, dass es beides eigentlich gar nicht gibt, aber jede dieser Aussagen uns bestimmte Phänomene erklären kann.
Ich bin immer vorsichtig, wenn eine Kategorie sich eine andere "untertan" macht....
Damit kann man natürlich zu dem Schluss kommen, dass man dann über gar nichts diskutieren muss, muss man aber nicht notwendigerweise.....

Du hattest das Beispiel "Luft" angeführt. Es ist halt nicht nur davon abhängig, was was ist, sondern was wer unter welchem Begriff versteht. Und gerade in einem solchen Setting ist es meiner Meinung nach wichtig, das zu klären. Für jeden anderen Fall hat Hedera den Ausgang solcher Gespräche in einem solchen Setting richtig vorausgesagt.


Lennox hat Folgendes geschrieben:
Diese isolierten Genpools sind meistens bekannte Allele (Genotyp) in einem weniger bekanntem Zusammenspiel. Jedoch zeichnen sich die aller meisten Phänotypen, auch die erweiterten Phänotypen, durch hochkomplexe biochemische Zwischenschritte und Wechselwirkungen aus.


Richtig. Doch Zwischenschritte auf welchem Weg? Selektion wozu? Was ist "optimale Angepasstheit" und existiert dafür eine mehr oder weniger zeitunabhängige Komponente?

Warum beschäftigen mich diese Aussagen, wo wir doch im Kern womöglich über andere Dinge reden?
Ich glaube, dass ein Gespräch über solche Dinge nicht produktiv sein kann, ohne die Vorraussetzungen zu erörten und die verschiedenen "Einfärbungen" von Sichtweisen, also die Perspektiven, aus denen heraus eine Betrachtung erfolgt, zu erörten.

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RNA?- just another nucleic acid?
Lennox



Anmeldungsdatum: 25.04.2017
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BeitragVerfasst am: 13. Mai 2017 17:16    Titel: Antworten mit Zitat

Erst einmal zu Hedera, welcher schreibt:
„Diese Aussage hat meiner Meinung nach nur dann bestand, wenn auch gilt, dass unser Individuum ausschließlich das Produkt dieser ist.“

Das denke ich nicht. Organismus-bildende Gene, also Hox-Gene, Struktur-Gene, Regulations-Gene, usw. sind allesamt auf das (Teil-)Produkt konzentriert, welches in dem „Genhabitat“ schließlich zu einem zeugungsfähigen Organismus führt. Nun gibt es auch sequentielle Information, welche viel simpler ist: Eine Virussequenz, die in RNA oder DNA übersetzt werden soll und den „Befehl erteilt“ sich zu vermehren. Sind diese Gebilde nicht von Selektion betroffen, da sich die Effekte, welche durch die Selektion auslesen ließen, innerhalb eines Organismus stattfinden?
Ich denke, niemand wird bestreiten, das Viren auch der Evolution unterliegen. Und würde man da tatsächlich sagen, die Selektion setzt (ausschließlich) am Organismus an, dann wäre es ja fatal, was sich als Schlussfolgerung ergäbe: Selektion, welche die Fehler oder Unzureichlichkeiten der Natur ausliest, wird nun umgekehrt darauf programmiert, besonders erfolgreich Genome oder Organismen zu modifizieren, welche sich dadurch nicht besser, sondern schlechter fortpflanzen!

Ist das denn noch dieselbe Selektion, von der auch Darwin sprach?

Bleibt da etwas anderes übrig als anzuerkennen, das Selektion u. A. besonders gerne Replikatoren in die Hände spielt, welche am Wohlbefinden oder Aufbau eines Organismus nicht beteiligt sind?

Zitat von Hedera: „Diese Annahme gilt aber nicht. Ein Individuum ist das Produkt der Umwelt im Rahmen der "genetischen Möglichkeiten". Das Individuum kann also auch mit Phänotyp gleichgesetzt werden.“

Und Phänotyp ist damit nur auf das Organismus beschränkt? Auch die Umwelt kann oftmals als Phänotyp angesehen werden. Dann spricht man vom erweiterten Phänotyp, unser alt bekannter lässt grüßen. Mir gefällt ansonsten die Bezeichnung „Produkt“ in dem Falle nicht. Produkte beziehen sich immer auf vorangegangene Edukte. Wenn also vom Genprodukt die Rede ist, wissen wir, dass wir dieses auch rückwärts „ablesen“ können. Also von der Proteinstruktur auf die Aminosäurenstruktur und davon auf die mRNA und schließlich die DNA.
Bei der Umwelt wissen wir dagegen oft nicht, was genau in welcher Reihenfolge gewirkt haben muss um das Endresultat als dessen Produkt zu bewerten. Und mir ist die Ausdrucksweise auch neu; sprechen wir bei Hautkrebs etwa von dem Produkt von Strahlung im Rahmen der jeweiligen Mutagenität? Etwas ungewohnt und vielleicht etwas weniger hilfreich Sie auf die Evolutionsbiologie zu übertragen.

Umwelt muss in jedem Fall zur Summe aller Effekte miteinbezogen werden, die auf ein Organismus wirken, aber nicht mehr, als die intrazellulären Vorgänge. In beiden Fällen sind chemische Vorgänge daran beteiligt, die Erbinformation zu ändern oder die neuronalen Systeme zu beeinflussen.
Die Umwelt kann als äußeres Milieu und das Organismus als das innere Milieu eines durch Zellmembran getrennten Gesamtsystems gesehen werden. Ein Teil des Systems ist nichtzufällig, also codiert auf der DNA (bspw. Ein Bieber Damm oder ein Organ), oder es ist zufällig (Klima), und ersteres kann man als Phänotyp verstehen.

Zitat von Hedera: „Das Genom definiert die Möglichkeiten.“

Welches? Das eigene auf jeden Fall, aber wie sieht es mit dem Genom des Parasiten aus? Was macht das Genom eines Knöllchenbakteriums, wenn nicht das: Die Möglichkeiten einer Pflanze definieren.

Zitat von Hedera:„Die tatsächliche Ausprägung wird aber von der Umwelt so starkt bestimmt, wie es nur geht und da geht eine ganze Menge.“

Ganz klar. Es steht meiner Meinung nach aber nicht im Widerspruch zu der genzentralistischen Sichtweise. Ein Gen wird durch die Umwelt beeinflusst und unterliegt denselben Problemen wie das Organismus. Doch muss ein Gen nicht Gründe nennen, wenn es sich mit dem Suizid des Lebewesens in dem es haust, in die nächste Generation begibt. Das Organismus dagegen müsste der Selektion schon gründlich erklären, weshalb es dazu neigt die Lebenserwartung für das Nachkommen derart kürzt. Noch schwieriger wird es bei der Auslese von Verwandten- oder Artgenossen-genomen. Der Genpool formt eine Abhängigkeitsbeziehung zwischen Muttergeneration und Tochtergeneration. In derselben Weise formt ein Genpool auch die Abhängigkeitsbeziehung zwischen Cousins und Cousinen, welche sich (unbewusst) helfen. Das ist mMn eine logische Schlussfolgerung, welche bis heute die theoretische Grundlage der Soziobiologen darstellt. Und sie geht mit dem Genzentralismus gut einher. Da konnte Wilson noch so gerne mit Begrifflichkeiten „target“ oder „union“ of selection jonglieren, er gibt Dawkins indirekt Recht. Ich an der Stelle auch, solange keine plausiblere Hypothese diese ablöst.

Nun zu jörg, Zitat:
„Ich glaube, dass uns eine zu sehr genzentrische Sicht hier einfach nicht weiterhilft, weil sie eben den Phänotypen einzig als Ausdrücke der genetischen Disposition sehen muss und damit zum o.g. Punkt führt (optimale Anpassung bedeutet die Nicht-Existenz von Phänotypen).“

Wenn wir „Anpassung“ hier anscheinend sehr sportlich verwenden, eigentlich alltäglich, sollten wir aufpassen. Denn eine solche Begrifflichkeit muss immer einer klaren Definition unterliegen, wenn wir sie in theoretische Modelle einbauen wollen. Gene und Selektion haben wir genügend definiert, nur bei dem Begriff „Anpassung“ sind wir noch auf dünnem Eis.
Anpassung bedeutet in der Biologie entweder das Streben nach dem Erhalt einer Keimbahn (Replikation, Fortpflanzung) oder nach Erhalt des Keimbahn-Apparates (Vehikel/ Initiator/ Organismus). Anpassung an den Bestand der genetischen Information ist dagegen eine andere Art der Anpassung. Sie gleicht eher einer physiko-chemischen Zustandsanpassung, zu einem niedrigem Energieniveau, bei maximaler Strukturbeständigkeit. So als wolle ein Gen in der DNA-Sequenz bleiben, wie ein Atom eines Octaeders-Ionenverband.
Mir ist an der Stelle nicht schlüssig wozu?
Eine derart „unsinnige“ Anpassung würde ich als solche gar nicht bezeichnen.
Wenn ich von Genen spreche, dann meine ich, wie die meisten Biologen heutzutage, Allele, nicht „Junk DNA“ (welche ja keine ist), die sich in Genomen wie ein Mitreisender verhält. Diese konservierten DNA-Fragmente haben, wie Transposons u. ä. Gebilde, bestimmte Zwecke, welche an dem „Konkurrenzmarkt“ der Allele, um bestimmte Loci, nicht teilnehmen. Was auch immer der jeweilige Zweck ist, es ist ein „blinder Fleck“ für die Selektion und wird daher auch nicht als „positiv ausgelesen“ angesehen, selbst wenn es Millionen von Jahre unverändert in der DNA verblieb.
Somit erübrigt sich das „Problem“ der genzentrischen Sicht meiner Meinung nach.


Zu dem Wahrheits-Begriff noch kurz:
Ich meinte das eher so, dass wir die Wirklichkeit ja auch nur mit unseren Sinnen wahrnehmen können. Wir sehen nicht den Baum, sondern die Reflexion des Lichtes. Und die „sehen“ wir in dem Sinne, dass unsere „Software“, nach unseren subjektiven Wahrnehmungsebene, als verlässlich betrachten. Die „Software“ der Ameise dagegen stufen wir als nicht-verlässlich ab. Aber man kann nicht ausschließen, dass wir die Wirklichkeit ebenso verzerrt wahrnehmen. Daher tendiere ich zu der Umschreibung „tendenziell beobachtbare universelle Realität“. Realität ist nämlich Wirklichkeit „durch die Brille des Subjekts“.

Zitat von jörg: „Ich glaube, dass die zu sehr genzentrische Sichtweise auch ein Ausdruck unserer Gegenwart ist, denn ich glaube nicht, dass die DNA schon immer die Stabilität hatte, die sie heute hat, ich denke (und es gibt Erkenntnisse, die dafür sprechen), dass die ursprünglichen Nukleotidverbindungen viel reaktionsfreudiger waren, als wir es heute beobachten und die Umwelt erst eine Umgebung schuf, in welcher diese heute beobachtbare Stabilität gewährleistet war. Die ersten Nukleotidverbindungen könnten also einer viel gößeren Instabilität unterlegen gewesen sein, welche durch die Umwelt und damit das physikalisch-chemische Milieu bedingt waren. Die genzentrische Sicht geht meiner Meinung nach also auch von einer Erhaltungsstabilität aus, die mich wieder zu der Frage führt: Ist diese Sicht auf die Dinge ein Erklärungsmodell für die prinzipiell beobachtbaren Erscheinungen oder nur ein "Spiegel unserer Zeit"....“

Diesen Abschnitt empfand ich beim ersten Lesen als besonders interessant.
Sehr wohl kann man davon ausgehen, dass die ersten Nukleotidverbindungen von größerer Instabilität geplagt wurden. Zudem hatten sie wesentlich weniger und handwerklich (katalytisch) schlechtere Hilfsmittel zur „Erreichung des Ziels“. Nichtdestoweniger war es doch die Selektion, welche hier auf Basis der Gene operiert hat. Ich verstehe nicht, wie die Sichtweise der Organismuseinheit hier besser Aufschluss geben soll, wodurch und wozu sich nun der genetische Apparat, derartig entwickelt habe. Gerade hier liegt doch die Stärke des GENzentrischen Mechanismus, zur Optimierung der DNA. Also der Anpassung wie ich oben beschrieben habe. Das Konservieren gehört, wie ich ebenfalls schrieb, nicht zu einer Anpassung an eine >biologische< Form der DNA. Es sind ja gerade die Molekularbiologen, welche hier forschen und ihre Sichtweise der Dinge in den Fachzeitschriften kundtun. Meiner Meinung nach geht dabei das biologische Wesen der Evolution verloren, da man nun immer von Zustand auf Zweck/Funktion schließt.

„Junk-DNA“ hat gewisse Funktion(en), aber ihr (inaktiver) Zustand (=der Verbleib im Genom), ist sofern nicht von der Selektion betroffen, da er seinen Zweck erst dann erfüllen kann, wenn dieser mit der Anpassung nach Fortpflanzung oder Wachstum einhergeht.
Selektion geht immer mit dem Vergleich von Funktionalität einher – anders macht es mMn keinen Sinn von Selektion zu sprechen und damit ja auch nicht mehr von der Einheit des Selektion.
Fazit: Konservierte DNA kann nicht im Nicht-Phänotyp einen zweckerfüllenden und damit selektionsunterworfenen Zustand finden.
jörg



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Wohnort: Bückeburg

BeitragVerfasst am: 17. Mai 2017 11:22    Titel: Antworten mit Zitat

Lennox hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich von Genen spreche, dann meine ich, wie die meisten Biologen heutzutage, Allele, nicht „Junk DNA“ (welche ja keine ist), die sich in Genomen wie ein Mitreisender verhält.


Mir reicht diese Betrachtung nicht aus, um eine annährende "Allgemeingültigkeit" zu formulieren.
Aber im Prinzip scheint das darauf hinauszulaufen, was ich meine.
Wenn wir Anpassung innerhalb des von dir ausgewiesenen Definitionsspektrums verwenden, ist deine Argumentation klar. Ich möchte an dieser Stelle jedoch anmerken, dass ich das Definitionsspektrum als zu eng gefasst empfinde.

Dein Beispiel mit den Viren macht das nach meiner Menung deutlich. Wann ist ein Virus "optimal angepasst"?
Auch hier sehen wir, dass viele Viren sich "ins Genom geschlichen haben", ohne dass sie noch eine pathogenetische oder phänotypische Relevanz besitzen, wie z.B. die endogenen Retroviren.
Diese spielen also im Selektionsspiel nicht mehr mit. Dennoch unterlagen sie einem Anpssungsprozess, welcher eben dahin mündete, dass sie in stabile Genome integriert haben (z.B. endogene Retroviren) oder eben nicht oder nicht mehr stark pathogen sind (z.B. Herpesviren, welche aufgrund ihrer Genomstabilität nur eine niedrige Mutationsrate aufweisen; hier z.B. sehe ich einen klaren Zusammenhang zwischen biophysikalischer Genomstabilität und Mutageneserate und damit Anpassungsfähigkeit).
Auf der anderen Seite gibt es Viren, welche ein hohes pathogenetisches Potential entfalten können. Das können zum einen evolutionsbiologisch sehr "junge" Viren sein (Ebola, HIV usw.) oder aber sie haben eine andere "Anpassungsstrategie" entwickelt (hier finde ich Tollwut besonders faszinierend, weil es trotz seiner schnellen und fast sicher todbringenden Eigenschaften dennoch als "angepasst" zu werten ist, da es sich durch die sehr spezielle Kombination seiner pathogenen Eigenschaften gut ausbreiten kann).
Ich denke also weiterhin, dass wir verschiedene Perspektiven einnehmen müssen, wenn wir verschiedene Anpassungsvorgänge beschreiben. Ich sage nicht, dass die Anpassung, wie du sie beschreibst, für mich nicht gibt, ich sage lediglich, dass sie einige Phänomene nur unzulänglich beschreiben kann.
Ist es nicht u.U. gut angepasst, sich von einem "Wirt" "herausschneiden zu lassen", damit die genetische Sequenz erhalten bleibt, wie z.B. bei einigen intronischen Sequenzen (welche im Übrigen zum Teil sehr hoch konserviert sind...)?

Lennox hat Folgendes geschrieben:
Diese konservierten DNA-Fragmente haben, wie Transposons u. ä. Gebilde, bestimmte Zwecke, welche an dem „Konkurrenzmarkt“ der Allele, um bestimmte Loci, nicht teilnehmen.


Doch, das tun sie. Auf molekulargenetischer Ebene nehmen sie auf dem „Konkurrenzmarkt“ um bestimmte Loci durchaus teil und das "Individuum" hat verschiedene Möglichkeiten, damit umzugehen. Es existieren auch Regionen (z.B. im Hippocampus), in denen die vermehrte Replikation solcher Elemente explizit gefördert wird, wohingegen es wieder andere Regionen gibt, in denen das Individuum alles tut, diese Replikation zu unterbinden.
Keimbahn-Neuinsertionen sind nicht selten und u.U. von erheblicher Relevanz.


Hedera hat Folgendes geschrieben:

„Diese Aussage hat meiner Meinung nach nur dann bestand, wenn auch gilt, dass unser Individuum ausschließlich das Produkt dieser ist.“


An diesem Punkt stimme ich mit Lennox überein und möchte noch einmal betonen, dass es sehr wichtig ist, welche Phänomene ich betrachte.
Wenn ich frage, wie es dazu kam, dass eine Giraffe genau die Eigenschaften hat, die sie eben hat, so muss ich auf phänotypischer Ebene argumentieren, ja, aber der Aussage, dass "unser Individuum ausschließlich das Produkt dieser ist.", kann ich dabei nicht zustimmen, denn dieses Argument würde uns - ad absurdum weitergedacht - auch wieder zu Herrn Lamarck führen.....

Und selbstverständlich muss das auch in irgendeiner Weise letztendlich auf genomischer Ebene "entschieden" werden und ich sehe Lennox Argumentation hier für die kodierenden und damit am Phänotypen beteiligten Bereiche durchaus schlüssig.
Wenn ich jedoch Selektion an genetischen Sequenzen ansetzen möchte und dabei einen Großteil ebendieser unberücksichtigt lasse, passt das nach meiner Meinung nicht. Dass würde beseuten, dass die von dir als "junk-DNA" bezeichneten Sequenzen nicht mehr evolvieren, das tun sie aber mit einem höheren Potential als die genomischen.
Wir beginnen gerade erst, die evolutionsbiolgische Relevanz der lange Zeit ignorierten nicht-kodierenden Bereiche zu erfassen.
Aber womöglich kann man die Splicing-Phänotypen als "Brückenphänomen" zu begreifen versuchen, um das evolutionsbiologische Potential der "junk-DNA" zu ermessen....


Lennox hat Folgendes geschrieben:
Selektion, welche die Fehler oder Unzureichlichkeiten der Natur ausliest, wird nun umgekehrt darauf programmiert, besonders erfolgreich Genome oder Organismen zu modifizieren, welche sich dadurch nicht besser, sondern schlechter fortpflanzen!


Man kann es auch anders formulieren: Wenn sich ein Genom oder Organismus schlechter fortpflanzt, muss er gewisse andere, begünstigende Eigenschaften habe. Eine Anpassungsstrategie kann wie z.B. beim Hering die starke Fortpflanzung sein, eine andere könnte durch Eigenschaften, welche bei schlechter Fortpflanzung für eine relativ hohe Überlebenswahrscheinlichkeit der Neugeborenen gewährleisten, repräsentiert werden, wie z.B. beim Menschen......

Lennox hat Folgendes geschrieben:
Bleibt da etwas anderes übrig als anzuerkennen, das Selektion u. A. besonders gerne Replikatoren in die Hände spielt, welche am Wohlbefinden oder Aufbau eines Organismus nicht beteiligt sind?


hier ist meiner Meinung nach "unter anderem" ein wichtiger Schlüsselbegriff....
Mit dieser Einschränkung ist die Aussage nach meiner Meinung richtig.


Lennox hat Folgendes geschrieben:
Ich verstehe nicht, wie die Sichtweise der Organismuseinheit hier besser Aufschluss geben soll, wodurch und wozu sich nun der genetische Apparat, derartig entwickelt habe.


Das habe ich auch nie so gesagt. Die genzentrische Perspektive hat durchaus ihren Charme, wie ich meine in einigen meiner vorangegegangenen Darstellungen deutlich gemacht zu haben. Sie ist mit Sicherheit ein wichtiger Beitrag zu unserem evolutionsbiologischen Verständnis. Ich werde mich nicht für oder gegen das eine oder andere aussprechen und versuche lediglich, die bisher nicht-integrierten Phänomene zu berücksichtigen, auf die ich in meiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit stoße. Ich bin kein Evolutionsbiologe und rein zufällig in meiner Arbeit auf evolutionsbiologische Zusammenhänge gestoßen. Nun muss ich versuchen, Evolutionsmodelle für Retrotransposons an einem gewissen Locus oder alternative Spleiß- und Polyadenylierungs-Phänotypen in bestimmten Sequenzmotiven zu etablieren. Ich merke einfach, dass das mit den bisher zur Verfügung stehenden, mir bekannten Modellen nicht möglich ist.
Allein auf diesen Erkenntnissen und der damit einhergehenden Erfahrung beruht meine Argumentation.
Die Genzenrische Perspektive hat Stärken, durchaus und die Argumentation ist dicht, sie reicht mir aber nicht.
Aber sie ist ein Schritt in die "richtige Richtung".
Ich diskutiere hier also nicht aus der Perspektive einer der beiden in der Themenüberschrift ausgewiesenen Modelle, sondern einzig aufgrund meiner eigenen Arbeit, die ich in ein Evolutionsmodell zu integrieren versuche.....

Ich gehe dabei nicht von irgendeiner "Zweckmäßigkeit" aus, die je erst mit dem Erscheinen von Phänotypen Bedeutung hat. Vereinfacht ließe sich mein Ausgangspunkt vielleicht folgendermassen darstellen: "Wenn die zunehmende Genomstabilität schon zu mehr oder weniger stabilen Phänotypen geführt hat, muss dies auch einen Ansatz für Selektion und Anpassung darstellen."
Das ist wie gesagt sehr vereinfacht, aber es liegt mir fern, hier einen Zweck zugrunde zu legen. Es ist nunmal eine Eigenschaft der Nukleotidverbindungen, auch eine Code etabliert zu haben. Dabei scheint das Prinzip der Informationskodierung eine immanente Eigenschaft unserer Welt, vielleicht sogar unseres Universums zu sein. Evolution könnte auch bedeuten, dass man eben irgendwie mit diesem Prinzip "spielt" und einer Möglichkeit dieses "Spieles" begegnen wir halt in dem Phänomen der Evolution. Es könnte, wenn man zweckmäßig argumentieren möchte, auch ein "notwendiges Übel" sein, mit dem man irgendwie umgehen muss und scheint dabei doch ein Schlüssel zum Erhalt und zur informellen Stabilisierung eines Genoms zu sein. Ließe sich prinzipiell auch ein Genom stabilisieren, welches nicht "den Umweg" über Phänotypen geht? Womöglich ja, aber das wäre dann nicht mehr informationstragend. Die Möglichkeiten der Informationskodierung sind dabei dermassen vielfältig, dass es vielleicht niemals ein für uns verständliches Konzept der Evolution geben könnte. Wenn ein informationstragendes Konzept zugrunde gelegt wird, muss auch Selektion in letzter Konsequenz an diesem ansetzen. Dabei könnten die "Angriffspunkte" jedoch auf einer kategorisch anderen Ebene stattfinden, nämlich auf der des Phänotypen, weil nämlich dieser die "Kommunikation" zwischen dem genom und seiner Umwelt gewährleistet. Eine Information ist ja zunächst einmal eine einheitenlose Größe, welche nur durch das Zusammenspiel von Informationsträger und verschiedenen Kommunikationsgliedern Bedeutung gewinnt. Eine Informtion, die keinen Informationsträger aufweist, ist genauso bedeutungslos wie eine Information, welcher bestimmte Kommunikationsglieder wie z.B. ein Empfänger fehlen. An jeder Stelle der Informationsübertragung kann ich den Gehalt und die Bedeutung einer Information verändern, dass muss sich nicht in jedem Fall auf den Informationsträger, in diesem Fall die DNA, auswirken.
Damit könnte Selektion allgemein die Veränderung der Bedeutung eines Informationsgehaltes heissen und Anpassung in diesem Modell die "Prüfung der Richtigeit (oder Anwendbarkeit)". Daraus folgend müsste ich also an jedem Punkt der Informationsübertragung mit diesen Stellschrauben ansetzen können. Ich muss nicht immer an dem Code herumspielen, auch wenn das die sicherste Methode einer "Informationsmanipulation" ist, wenn ein gewisser "Dechiffrierungsmechanismus" etabliert und anerkannt ist, abr Informationen lassen sich bezüglich ihrer Bedeutung auch auf allen anderen Ebenen der Übertragung manipulieren.

_________________
RNA?- just another nucleic acid?
Lennox



Anmeldungsdatum: 25.04.2017
Beiträge: 10

BeitragVerfasst am: 19. Mai 2017 20:12    Titel: Antworten mit Zitat

Ich denke wir sprechen hier von zwei unterschiedlichen Betrachtungen des selben Phänomens, nämlich der Selektion hin zur Gesamtfitness eines Organismus, welche auf molekularbiologischer Ebene stattfindet.
Wichtig ist, meinerseits, zu bemerken, dass die vielen Erscheinungsformen oder Funktionen eines genomischen Abschnitts, der nicht in RNA übersetzt wird, nicht klein geredet werden dürfen, oder eben zu eng betrachtet werden sollen, wie du richtig anmerkst. Daher schrieb ich Junk-DNA auch nur in Anführungszeichen. Es ist eben nicht zu verkennen, dass genetische Variabilität nicht nur auf dem phänotypischem Level miteinander in Beziehung steht. Konkurrenz um einen Locus sehe ich aber generell nur bei Allelen, die tatsächlich in mRNA übersetzt werden, als sinnvolles Konzept. Natürlich hat jede Gensequenz ihen Locus. Doch werden gerade im Intron nicht die Gene, sondern ihre Marker, also Anhänge der DNA miteinander konkurrieren und über ihre Lokation und Funktionalität entscheiden. Die betroffenen Gene sind also hierbei tatsächlich keine Akteure im strengeren Sinne, oder irre ich mich?
Ich erachte es zu dieser Zeit, inzwischen (im Sinne von „inbetween“ - leider sind nicht alle deutschen Wörter so präzise/eindeutig wie im Englischen, andersrum gilt dies teilweise aber auch -) der unüberblickbaren molekularbiologischen Prozesse, als weniger hilfreich das Verständnis der Selektion zu erweitern auf jedes sequenzierte Quäntchen von Information. Damit gebe ich dir also damit Recht, dass meine Sicht der wirkungsvollen Selektion, die bewährte, aber etwas in die Jahre gekommene Sichtweise ist. Du hast dich, im Gegensatz anderer Biologen, welche den Status der natürlichen Selektion an sich anzweifeln oder zu unterminieren suchen, ziemlich fair gehalten. Anders als die, an M. Kimuras Thesen anschließende „Sekte“ von Darwinkkritikern, die mit ihrer schrillen Kritik am „Ultradarwinismus“ den Kreationisten (Schein-)Argumente liefern..

Dass du von deinem Forschungsgebiet aus erweiterst ist nur natürlich, es ist in dem Sinne hilfreich (auch wenn ich oben geschrieben habe, dass es noch etwas früh ist, um allgemeingültige Aussagen zu treffen), um selbst konkret auf die Spur zu kommen und seine Forschung als untrennbar von der theoretischen Biologie zu sehen. Diese Einflüsse von Forschungen deinergleichen werden später miteinander kumulieren und zum nächsten Ankerpunkt der Evolutionsbiologie führen, einer weiteren wahren Horizonterweiterung.
Ich denke in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten, könnte eine Erweiterung, oder gar Revision der genozentrischen Sicht erfolgen, welche dann die damals weniger bekannten Regulationsmechanismen, epigenetische Mechanismen, und eben informelle, jedoch noch ziemlich verschleierte Wechselwirkungen innerhalb des Genomes mit aufnehmen werden. All das führt, so wie ich das sehe, aber zu keinem Gegensatz an die bisherigen Erweiterungen der evolutionären Synthese von G. C. Williams, W. D. Hamilton, J. Mayanard Smith, R. Dawkins u.v.a.
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