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Gwunderi
Anmeldungsdatum: 25.01.2017 Beiträge: 4
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Verfasst am: 25. Jan 2017 15:41 Titel: DNA und Morphogenese |
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Hallo zusammen,
Wo/wie in den DNA ist die Information zur Ausbildung der spezifischen Form eines Lebewesens codiert? Die DNA sowie die Gensequenzen sind doch chemische Substanzen und unterliegen auch nur den vier Grundkräften, d.h. jedes Atom und Molekül folgt "träge" (so quasi "blindlings") den physikalischen Gesetzen.
Die symmetrische Form eines Schneekristalls z.B. entsteht wegen der molekularen Beschaffenheit des Wassers, das (träge den physikalischen Gesetzen folgend) sechseckige Strukturen bildet. Desgleichen nimmt Wasser wegen der Oberflächenspannung (wenn nicht die Schwerkraft überwiegt) die Form kugelförmiger Tropfen an.
Soweit resultiert die Formbildung aus den physikalischen Gesetzen, allesamt auf die vier Grundkräfte rückführbar.
Aber wie entsteht die Form vieler Lebewesen, eines Menschen beispielsweise? Sie kann wohl kaum einzig aus chemischen und physikalischen Prozessen folgen (selbst wenn diese hochkomplex sind, auch mit Rückkopplungen usw.).
Auch enthält jede Zelle exakt dieselbe DNA bzw. genetische Information. Woher "weiss" also die RNA, welche Gensequenzen sie - besonders wenn wir im embryonalen Stadium noch einen undifferenzierten "Zellklumpen" haben - herauslesen soll?
Oder z.B. auch wie die Samen in der Sonnenblume spiralförmig angeordnet sind, oder die seckseckigen Bienenwaben - beide Formen erweisen sich als optimal zur Platznutzung. Die optimale Platznutzung ist wohl nicht auf die vier Grundkräften in der Natur rückführbar?
(Und wenn man hier die "natürliche Selektion" bemühen will: die Frage, wo/wie diese Informationen gespeichert sind bliebe dennoch.)
Das Problem ist für mich nicht neu, es ist in der Tat eine Frage, die mich seit Jahrzehnten beschäftigt und fasziniert, nur habe ich mich kürzlich mit der Symmetrie (Mathematik) in der Natur befasst, und da stellt sich mir die Frage von neuem: Wenn diese Muster nicht auf die vier Grundkräfte der Natur zurückzuführen sind - betreibt dann die Natur selber Mathematik? Wohl kaum, und einen Gott will ich auch nicht bemühen - aber ein grosses Rätsel bleibt es dennoch.
Vielen Dank schon mal und Grüsslein |
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Hedera
Anmeldungsdatum: 08.03.2011 Beiträge: 657
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Verfasst am: 25. Jan 2017 16:11 Titel: |
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Zunächst müssen wir festhalten, dass wir die Mathematik erfunden haben.
Es ist geniales System mit dem wir natürliche Zusammenhängen beschreiben können und vorallem vergleichen können.
So können wir mit der Mathematik sagen, dass der rechte Baum beispielsweise genau ein Meter von dem in der Mitte entfernt ist. Für den linken ist die Entfernung identisch. Daraus folgt, dass links und rechs genau zwei Meter von einander weg stehen. Vorher hätte man nur sagen können, dass sie weiter auseinander sind, als der mittlere.
Deine physikalischen Grundgesetze lassen sich ohne weitere Auf die Entwicklung anwenden.
Vieles wird über minimale Konzentrationsunterschiede in einer Zelle definiert. Beispielsweise "vore" und "hinten". Solche Konzentrationsunterschiede können auch durch Nachbarzellen verursacht werden. Es kann aber auch nur Zufall sein. Die Rückkopplung, Zell-Zell-Kommunikation, Genexpression usw. sind so massiv komplexe Vorgänge, dass wir bis heute nicht Ansatzweise das gesamte System verstanden haben. Dabei wissen wir schon eine ganze Menge.... Aber alles lässt sich ohne weiteres auf die physikalischen Gesetze runterbrechen.
Die Symmetrien in der Natur kommen häufig durch Modularebauweise auf. Wenn du einen perfekten Kreis nimmst und weitere perfekte Kreise mit selben Durchmesser drumherum legst, so hast du mehr oder weniger einen perfekten größeren Kreis. Wenn nun aus den Kreisen, die du drumherum gelegt hast exakt ein Blütenblatt wird, dann hast du die perfekte Blüte.
Es ist schwer das ganze in wenigen Worten zufrieden stellend zu erklären, aber es lässt sich alles durch physikalische Gesetze erklären.
Es stellt sich eher die Frage was der "Lebensfunke" ist, der dafür sorgt, dass wir eine so hohe Ordnung anstreben... |
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Gwunderi
Anmeldungsdatum: 25.01.2017 Beiträge: 4
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Verfasst am: 25. Jan 2017 17:30 Titel: |
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Hallo Hedera,
Danke mal für Deine Antwort. Lach, das Ganze ging auch von der Frage aus, ob die Mathematik eine Entdeckung oder eine Erfindung sei. Da war ein Beitrag auf FB über einen Physiker (Eugene Wigner), der meinte:
"Die enorme Nützlichkeit der Mathematik in den Naturwissenschaften ist etwas, das man fast mysteriös nennen könnte und die keine rationale Erklärung findet."
Worauf ich ähnlich wie Du kommentierte: "Wenn man die Mathematik als Ausdruck von Relationen betrachtet, scheint es mir keineswegs mysteriös, dass man damit Relationen in der Natur beschreiben - und möglicherweise auch vorhersagen - kann (Relationen, die der Mensch als solche wahrnimmt)."
Ein anderer User meinte dann, er glaube, die Mathematik sei eine "Entdeckung" und keine Erfindung der Menschen, und genau um das zu widerlegen kam ich auf obiges - auf die Morphologie, lach! (Die Diskussion ist längst zu Ende, aber mich beschäftigt es noch.)
Das mit den minimalen Konzentrationsunterschieden in den einzelnen Zellen leuchtet mir bis zu einem gewissen Grad ein (die Unterschiede können ja durch mancherlei Einflüsse zustande kommen). Über die Zell-Zell-Kommunikation, Genexpression usw. weiss ich so gut wie nichts, werde mich vielleicht mal etwas dreinlesen - aber dass aus einem undifferenzierten "Zellhaufen" durch rein chemische und physikalische Prozesse so verschiedenartige Zelltypen, Gewebe und Organe - am "richtigen Ort" entstehen können - das finde ich schon etwas "mysteriös" (wenn man eben bedenkt, dass jede Zelle exakt dieselbe DNA enthält). Mag schon sein, dass wir noch weit davon entfernt sind, das Ganze zu verstehen, weil es eben hochkomplexe Prozesse sind, und dass sich schliesslich alles auf die physikalischen Gesetze runterbrechen lässt …
Deine Erklärung zu den symmetrischen Formen verstehe ich nicht ganz. Klar kann man einen Kreis konstruieren wie Du es vorgibst, oder Fraktale und andere Symmetrien basieren (meist?) auf rekursiven Formeln. Aber wie kommt die Natur dazu, solche Formen zu bilden? Bei einem Schneekristall z.B. geschieht es ja eben aufgrund der Molekularstruktur des Wassers, weshalb man die Symmetrie eben auf die physikalischen Grundkräfte runterbrechen kann, aber bei der spiralförmigen Anordnung der Sonnenblumensamen zum Beispiel? Diese kommt doch nicht aufgrund der Molekularstruktur zustande?
Zum "Lebensfunken" noch kurz: ja warum haben wir überhaupt einen "Überlebensinstinkt", Atome und Moleküle haben meines Wissens keins (weiss nicht, ob Du in etwa dasselbe meinst mit "eine so hohe Ordnung anstreben") - oder ab wann wird Materie sich ihrer selbst bewusst? Eigentlich auch schön, dass es noch "Mysterien" gibt ... |
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jörg
Anmeldungsdatum: 12.12.2010 Beiträge: 2107 Wohnort: Bückeburg
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Verfasst am: 25. Jan 2017 18:27 Titel: |
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Ich denke, rekursive Geometrien sind einfacher zu konstruieren und auch einfacher zu codieren, da im Prinzip ja nur eine Information kodiert weden muss, die dann auf verschiedenen Ebenen immer wieder kehrt. _________________ RNA?- just another nucleic acid? |
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Gwunderi
Anmeldungsdatum: 25.01.2017 Beiträge: 4
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Verfasst am: 25. Jan 2017 19:05 Titel: |
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Hallo Jörg,
Ja, die Formeln sind oft ganz simpel, was man dem komplexen Muster oft nicht gleich ansieht, das Problem ist nur, dass die DNA nicht wie ein PC mathematische Formeln speichern kann (wüsste nicht wie). Selbst wenn mal ein solches Muster rein zufällig in der Natur entstanden sein sollte - was ich schon als höchst unwahrscheinlich erachte - wie wird dann dieser codiert? |
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Hedera
Anmeldungsdatum: 08.03.2011 Beiträge: 657
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Verfasst am: 25. Jan 2017 21:56 Titel: |
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Auf die schnelle ein kleines Beispiel, da ich grade wenig Zeit habe:
Trichome, sogenannte Blatthaare, also "Haare" auf Blättern, haben eine gewisse Musterbildung. Das heißt, dass zB. eine Zelle ein Haar ausbildet um die beiden Zellreihen, rings um diese Zelle bilden keine. Das bedeutet, dass jede dritte Zelle ein Trichom ausbildet und das ist das Muster.
Wie passiert das jetzt?
Einfach ausgedrückt: Zellen, die ein Haar ausbilden geben Signalmoleküle an die Umgebung ab. Diese verhindern, dass alle Zellen innerhalb der Diffusionsreichweite ebenfalls Haare ausbilden. Zellen die weit weg sind werden nicht beeinflusst und bilden Haare aus, wodurch sie wieder ihre direkte Umgebung beeinflussen.
Das ist eine Art der Zell-Kommunikation und das passiert (natürllich komplexer) auch bei der Differenzierung des Zellhaufens zu Organen.
Stell es dir einfach so vor, dass alle Zellen das gleiche machen. Allerdings ist eine etwas schneller als alle anderen (welche ist Zufall). Diese Sagt ich werde jetzt Zelltyp A und behindert alle anderen Ebenfalls A zu werden. Daraufhin beginnen sie B zu werden, es ist jedoch wieder eine schneller und sagt, dass sie B wird, weshalb die Übrigen dann Typ C werden wollen usw.
Das ist jetzt natürlich total hochwissenschaftlich ausgedürckt
Ich hoffe das Prinzip wird klar. In der Realität ist es deutlich komplexer und hängt von vielen Faktoren ab
Zitat: | Zum "Lebensfunken" noch kurz: ja warum haben wir überhaupt einen "Überlebensinstinkt", Atome und Moleküle haben meines Wissens keins (weiss nicht, ob Du in etwa dasselbe meinst mit "eine so hohe Ordnung anstreben") - oder ab wann wird Materie sich ihrer selbst bewusst? Eigentlich auch schön, dass es noch "Mysterien" gibt ... |
Naja, es gibt Dinge über die kann man nachdenken, aber man driftet in die Philosophie ab. Wissenschaftlich ist diese Frage wahrscheinlich überhaupt nicht zu beantwortet.... Vielleicht stehen wir uns hier einfach selbst im Weg, weil wir hinter allen Dingen einen Sinn sehen wollen/müssen... Sinnhafitigkeit würde aber Planung voraussetzung und somit eine höhere Macht. Es braucht immer ein gewisses Set an Axiomen, die nicht bewiesen werden müssen, sonst gibts keinen Anfang |
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Gwunderi
Anmeldungsdatum: 25.01.2017 Beiträge: 4
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Verfasst am: 25. Jan 2017 23:54 Titel: |
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Hallo Hedera,
Danke für Deine Beispiele, sehe sie leider erst jetzt, und muss jetzt dann ins Bettchen, morgen erwartet mich ein anstrengender Arbeitstag. Werde es mir später einmal in Ruhe zu Gemüte führen.
Einzig zu Deinem letzten Satz: ja, es braucht immer ein Set an Axiomen oder Postulaten, die nicht bewiesen werden müssen, und eins vom Wichtigsten in der Wissenschaft ist finde ich, sich eben bewusst zu sein, welches die Axiome und Postulate sind. Die bewusst festgelegten sollte ja ein Wissenschaftler, der sich ein solcher nennt, kennen, "tückischer" wird es bei unbewussten "Postulaten", unbewiesene Annahmen, derer man sich nicht einmal bewusst ist. Soll es ja auch geben …
Danke Dir vorab - musste ab Deiner höchst wissenschaftlichen Terminologie lachen
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