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Naloxon und Heroin-/Morphinabhängigkeit
 
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Fexx



Anmeldungsdatum: 05.11.2011
Beiträge: 279

BeitragVerfasst am: 15. Aug 2012 13:22    Titel: Naloxon und Heroin-/Morphinabhängigkeit Antworten mit Zitat

Hallo allerseits!

Im Folgenden beziehe ich mich auf diesen Artikel:
http://www.sciencedaily.com/releases/2012/08/120814213246.htm

Zitat:
"Our studies have shown conclusively that we can block addiction via the immune system of the brain, without targeting the brain's wiring," says the lead author of the study, Dr Mark Hutchinson, ARC Research Fellow in the University of Adelaide's School of Medical Sciences.

"Both the central nervous system and the immune system play important roles in creating addiction, but our studies have shown we only need to block the immune response in the brain to prevent cravings for opioid drugs."


Und zwar geht es dabei offenbar um Naloxon, welches als Opiod-Antagonist natürlich mit dem Suchtstoff in Konkurrenz steht. Wenn ein zentraler Receptortyp, der als Ansatzpunkt für z.B. Heroin dient, nun blockiert ist, zeigt der Suchtstoff natürlich geringere oder keine Wirkung mehr. So weit kann ich das nachzuvollziehen.
Doch was ist mit dem eigentlichen Problem der Abhängikeit, den Entzugserscheinungen? Wird dem Probanden durch Gabe des Opioid-Antagonisten nicht lediglich die Möglichkeit genommen, die Entzugserscheinungen durch Einnahme der Droge zu lindern?

Zitat:
"The drug (+)-naloxone automatically shuts down the addiction. It shuts down the need to take opioids, it cuts out behaviours associated with addiction, and the neurochemistry in the brain changes -- dopamine, which is the chemical important for providing that sense of 'reward' from the drug, is no longer produced."


Und das ist das eigentlich überraschende, wie ich finde. Wie kann der Opioid-Antagonist - egal ob temporär oder permanent - den Drang noch dem Suchtmittel unterbinden, ohne dieses zu imitieren? Das kann doch irgendwie nicht sein.

Das Suchtmittel mag ja "blockiert" werden können, ja, aber doch nicht die Sucht als solche...oder doch?


Gruß
jörg



Anmeldungsdatum: 12.12.2010
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BeitragVerfasst am: 20. Aug 2012 20:59    Titel: Antworten mit Zitat

Du argumentierst hier mit dem Opoidantagonismus an Neuronen.
Aber der Autor sagt ja folgendes:

Zitat:
[...]without targeting the brain's wiring,
[...]we only need to block the immune response in the brain to prevent cravings for opioid drugs.


Er spricht also davon, dass Naloxon die Sucht über eine immunologische Reaktion mindert.

Ansonsten kann Naloxon bei einem Opoidsüchtigen ein Entzugssyndrom provozieren und selbst bei nicht Opoidsüchtigen Schmerzen auslösen, die schwer erträglich sind, weil es gegen die körpereigenen Opoide antagonisiert.

Klassischerweise wird Naloxon z.B. mit Tillidin eingesetzt, weil Naloxon oral fast unwirksam ist (hoher first-pass-effect der Leber) und Tillidin i.v. nicht wirkt. Damit umgeht man das BtmG.

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Firelion



Anmeldungsdatum: 27.08.2009
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BeitragVerfasst am: 20. Aug 2012 21:04    Titel: Antworten mit Zitat

Verhindert die Kombo, dann das auftreten von Schmerzen? Wie kommt das Tillidin i.v. nicht wirkt? Die meisten Wirkstoffe wirken ja eher nur i.v., oder? Wird das Tillidin im Blut abgebaut? Wie kommt es dann zum ZNS?
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jörg



Anmeldungsdatum: 12.12.2010
Beiträge: 2107
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BeitragVerfasst am: 20. Aug 2012 21:07    Titel: Antworten mit Zitat

Tilidin muss in der Leber zu aktiven Metaboliten metabolisisert werden.

Die Kombination soll einem Missbrauch entgegenwirken, also dass kein Heroinsüchtiger sich das Zeug fixen kann.

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Firelion



Anmeldungsdatum: 27.08.2009
Beiträge: 1878

BeitragVerfasst am: 20. Aug 2012 21:10    Titel: Antworten mit Zitat

Ah ,also eine umgekehrter First Pass effekt. Statt zu versuchen die Leber zu umgehehern um möglichst viel Wirkstoff inm Blut zubehalten, wird sich hier absichtlich der Stoffwechsel zu nutze gemacht. Faszinierend.
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Fexx



Anmeldungsdatum: 05.11.2011
Beiträge: 279

BeitragVerfasst am: 20. Aug 2012 23:14    Titel: Antworten mit Zitat

Jörg hat Folgendes geschrieben:
Er spricht also davon, dass Naloxon die Sucht über eine immunologische Reaktion mindert.


Okay, aber das ist dann lediglich der naheliegende Effekt, der dem beobachteten Phänomen (Ausbleiben der "Suchterscheinungen") zugeschrieben wird, oder?
Der Mechanismus hinter der immunologischen Reaktion muss ja letztlich neuronal wirken. Bedeutet das, dass einhergehend mit der Immunreaktion Stoffe ins Gehirn gelangen, die direkt auf bestimmte Nervenzellen einwirken und diese etwa hemmen? Ich kann mir das gerade nicht so recht vorstellen.

Und warum wird diese Immunreaktion nur durch Naloxon hervorgerufen und nicht auch durch andere fremde Stoffe, die die Blut-Hirn-Schranke unterlaufen können?
jörg



Anmeldungsdatum: 12.12.2010
Beiträge: 2107
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BeitragVerfasst am: 21. Aug 2012 00:13    Titel: Antworten mit Zitat

Fexx hat Folgendes geschrieben:
Okay, aber das ist dann lediglich der naheliegende Effekt, der dem beobachteten Phänomen (Ausbleiben der "Suchterscheinungen") zugeschrieben wird, oder?


Das ist ja gerade das "Neue" an diesen Erkenntnissen, dass sich über Blockade des TLR4/MyD88-Signalweges auch Suchterscheinungen beeinflussen lassen, zumindest bei Ratten. Wie genau es dann dazu kommt, dass auch im Ncl accumbens die Dopaminsekretion moduliert wird, bleibt vorerst unbekannt. Dass Opiate auch immunologisch wirksam sind, ist schon länger bekannt, neu ist jedoch die Aufklärung des Zusammenhanges zur Sucht.


Fexx hat Folgendes geschrieben:
Und warum wird diese Immunreaktion nur durch Naloxon hervorgerufen und nicht auch durch andere fremde Stoffe, die die Blut-Hirn-Schranke unterlaufen können?


Wer sagt, dass nur Naloxon das macht? Als Referenz dienten in der Studie TLR4-Knockout-Tiere. Das essentielle der Studie ist nicht Naloxon, sondern, dass (opoidinduzierte) TLR4-Aktivierung ein "Suchtverstärker" ist und dass Naloxon als Opoidantagonist hier eingreifen kann.

Der Originaltitel der Publikation:

Opioid Activation of Toll-Like Receptor 4 Contributes to Drug Reinforcement


Aber wie gesagt, die Kehrseite der Medaille: Naloxon bringt einen Heroinsüchtigen schlagartig in eine Entzugssituation.

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Fexx



Anmeldungsdatum: 05.11.2011
Beiträge: 279

BeitragVerfasst am: 21. Aug 2012 12:24    Titel: Antworten mit Zitat

Jörg hat Folgendes geschrieben:
Aber wie gesagt, die Kehrseite der Medaille: Naloxon bringt einen Heroinsüchtigen schlagartig in eine Entzugssituation.


Zitat:
"The drug (+)-naloxone automatically shuts down the addiction. It shuts down the need to take opioids, it cuts out behaviours associated with addiction, and the neurochemistry in the brain changes -- dopamine, which is the chemical important for providing that sense of 'reward' from the drug, is no longer produced."


Bedeutet das nicht, das gerade keine Entzugserscheinungen auftreten?




Jörg hat Folgendes geschrieben:
Das ist ja gerade das "Neue" an diesen Erkenntnissen, dass sich über Blockade des TLR4/MyD88-Signalweges auch Suchterscheinungen beeinflussen lassen, zumindest bei Ratten. Wie genau es dann dazu kommt, dass auch im Ncl accumbens die Dopaminsekretion moduliert wird, bleibt vorerst unbekannt.



Das kann ja auch eigentlich nicht nur über die Beeinflussung der Dopaminsekretion erfolgen. Denn abgesehen davon, dass dann auch Dopamin-Antagonisten auf gleiche Weise wirksam sein müssten (?), ist das Suchtverhalten doch auch strukturell repräsentiert. Was allein ein mit dem Suchtmittel assozierter Reiz (z.B. der Anblick einer entsprechenden Ampulle) an Verhaltensweisen auslöst, dürfte bei einem Suchtkranken doch völlig anders sein als bei einer gesunden Person.
Firelion



Anmeldungsdatum: 27.08.2009
Beiträge: 1878

BeitragVerfasst am: 21. Aug 2012 12:57    Titel: Antworten mit Zitat

Ich könnte mir vorstellen, dass die strukturellen Veränderungen durch Dopamin ausgelöst werden könnten, da Dopamin meines Wissens nach beim Menschen eher modulatorisch statt als Transmitter wirkt. Also Transmitter x öffnet zwar Kanäle aber Transmitter X + Dopamin öffnet mehr Kanäle. Dadurch könnte z.B. mehr Ca2+ einströmern und es zur LTP kommen, die auch mit strukturellen Veränderungen im Sinne von mehr Synapsen einhergeht.
Was dan vermutlich auch das Verhalten beeinflusst da hast du Recht. Ich kenne niemanden, der sich frewillig und ohne Not mehrmals am Tag spritzen würde. Dazu sollte eigentlich das Schmerzvermeideverhalten zu stark sein.

Ich könnte mir vorstellen, dass der stark negative Effekt von Naloxon darauf beruht, dass dan auch die Endorphine nicht mehr wirken können. Die sind aber für die Funktion des Körpers wichtig. Man kann soweit ich weiß auch Opioide zu therapeutischen Zwecken einsetzen ohne , dass es zum Kick oder zur Sucht kommt.

Wenn man unter physiologischen Bedingungen die Konzentration P von Endorphinen im Blut hat und ohne Indikation Opioide drauf packt senkt der Körper die konzentration auf S. Wenn jetzt die Opioide wegfallen reicht die Konzentration nicht mehr aus um den latenten Schmerz zu unterbinden, den wir normalerweise nicht fühlen würden. Naloxon verhindert jetzt die Wirkung komplett wodurch ich vermute, dass zwar die psychologischen Komponenten der Sucht vielleicht unterbunden, aber der Schmerz könnte trotzdem da sein.

Aber das sind nur Theorien.

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Fexx



Anmeldungsdatum: 05.11.2011
Beiträge: 279

BeitragVerfasst am: 21. Aug 2012 13:13    Titel: Antworten mit Zitat

Firelion hat Folgendes geschrieben:
Ich könnte mirt vorstellen, dass die strukturellen Veränderungen durch Dopamin ausgelöst werden könnten, da Dopamin meines Wissens nach beim Menschen eher modulatorisch statt als Transmitter wirkt. Also Transmitter x öffnet zwar Kanäle aber Transmitter X + Dopamin öffnet mehr Kanäle. Dadurch könnte z.B. mehr Ca2+ einströmern und es zur LTP kommen, die auch mit strukturellen Veränderungen im Sinne von mehr Synapsen einhergeht.


Ja, das könnte sein. Dann beschreibe dies den Vorgang der Suchtentstehung in Form des Aufbaus der entsprechenden Netzwerke wie beispeilsweise:
Visueller Reiz (Anblick der Spritze) -->aktiviert--> Motorik (Greifen nach der Spritze)

Die strukturelle Repräsentation des Suchtverhaltens ist also bereits stark ausgeprägt, wenn nach Jahren die Behandlung der Sucht beginnt. Falls nun ein Antagonist wie Naloxon verabreicht wird, ist das ja zunächst nur ein Eingriff auf funktioneller Ebene - es werden ja nicht schlagartig irgendwelche neuronalen Strukturen vernichtet.




Zitat:
Wenn man unter physiologischen Bedingungen die Konzentration P von Endorphinen im Blut hat und ohne Indikation Opioide drauf packt senkt der Körper die konzentration auf S. Wenn jetzt die Opioide wegfallen reicht die Konzentration nicht mehr aus um den latenten Schmerz zu unterbinden, den wir normalerweise nicht fühlen würden.


Hm, dann provoziert Opioid-Entzug also tatsächlich Schmerzen, da sich der Körper an die regelmäßig zugeführte große Menge des Stoffes gewöhnt und diese nun nicht mehr zugeführt wird?
Firelion



Anmeldungsdatum: 27.08.2009
Beiträge: 1878

BeitragVerfasst am: 21. Aug 2012 13:22    Titel: Antworten mit Zitat

Naloxon ist noch "fieser" als bloßer Opioidentzug. Meineswisens nach ist kalter Entzug ohne Naloxon auch schon eine Tortur. Beim bloßen Entzug sind zu wenig Endorphine vorhanden. Aber bei Naloxon können selbst die wenigen nicht mehr wirken so als ob gar keine Endorphine da wären. Deshalb reagieren auch Gesunde stark auf Naloxon.

Trotzdem ist es meines Wissens nach eines der klinisch bedeutsamsten Antidota, da es die atemdepressive Wirkung von Opioiden aufhebt und damit lebensrettend sein kann.

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jörg



Anmeldungsdatum: 12.12.2010
Beiträge: 2107
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BeitragVerfasst am: 24. Aug 2012 10:05    Titel: Antworten mit Zitat

Fexx hat Folgendes geschrieben:
Bedeutet das nicht, das gerade keine Entzugserscheinungen auftreten?


Schreib dazu doch einaml, welche Parameter in der Studie getestet wurden, um "Suchtverhalten" zu untersuchen.
Welche Stoffkombinationen wurden den Ratten denn verabreicht?


Ansonsten scheint ihr mir hier sehr auf die Opoid-spezifischen Wirkungen fixiert zu sein. TLR4-Aktivierung ist aber eine Opoid-unspezifische Eigenschaft der Opoide. @Fexx: Weisst du, was TLR (Toll-like Rezeptoren) sind und welche aufgabe sie im Immunsystem haben?

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Fexx



Anmeldungsdatum: 05.11.2011
Beiträge: 279

BeitragVerfasst am: 24. Aug 2012 23:41    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
...it cuts out behaviours associated with addiction...


Wenn die versuche mit Ratten durchgeführt wurden, so lassen sich die tatsächlichen Entzugserscheinungen wohl vorwiegend durch verhaltensweisen wie der aktiven Suche nach dem Suchtstoff festmachen.
Außerdem scheint die Dopaminkonzentration im Nervensystem als Indikator für den Grad der Sucht angesehen zu werden. Soweit die getesteten Parameter, wenn ich das richtig verstanden habe.

Jörg hat Folgendes geschrieben:
Weisst du, was TLR (Toll-like Rezeptoren) sind und welche aufgabe sie im Immunsystem haben?


Ich denke man könnte sie als erstes Glied der Immunantwort bezeichnen. Wenn sie einen femdnen (pathogenen) Stoff erkennen, bzw. ein bruchsstück davon, so wird die Immunantwort in gang gesetzt. Wenn sie einen Erreger nicht als solchen erkennen, ist das natürlich nicht gut. Deshalb gibt es auch zahlreiche verschiedene dieser receptoren. Hier ist es nun eben TLR4.

Aber ich weiß nicht recht, ob es richtig wäre, das Suchtverhalten eines Drogenabhängigen auf die durch den Suchtstoff provozierte Immunantwort zu reduzieren. Denn wenn es so wäre, würde gerade der mechanismus, der den pathogenen Stoff vernichten soll, dafür sorgen, dass er immer und immer wieder in den organismus gelangt - das typische Suchtverhalten eben, zudem noch mit steigender Toleranz gegenüber dem Suchtstoff.

Worauf wolltest du denn hinaus?
jörg



Anmeldungsdatum: 12.12.2010
Beiträge: 2107
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BeitragVerfasst am: 25. Aug 2012 10:47    Titel: Antworten mit Zitat

Fexx hat Folgendes geschrieben:
Aber ich weiß nicht recht, ob es richtig wäre, das Suchtverhalten eines Drogenabhängigen auf die durch den Suchtstoff provozierte Immunantwort zu reduzieren.


Das wäre mit Sicherheit nicht angemessen, aber das tut ja auch niemand.

Zitat:
Collectively, these data indicate that the actions of opioids at classical opioid receptors, together with their newly identified TLR4/MD2 actions, affect the mesolimbic dopamine system that amplifies opioid-induced elevations in extracellular dopamine levels, therefore possibly explaining
altered opioid reward behaviors. Thus, the discovery of TLR4/MD2 recognition of opioids as foreign xenobiotic substances adds to the
existing hypothesized neuronal reinforcement mechanisms, identifies a new drug target in TLR4/MD2 for the treatment of addictions, and provides further evidence supporting a role for central proinflammatory immune signaling in drug reward.


Es wurde gezeigt, dass die Opoid-konditionierte Bevorzugung, bestimmte Orte aufzusuchen, bei Ratten supprimiert wurde. In diesen Zusammenhang setzten die Autoren die Beobachtung, dass im Ncl accumbens die morphin-induzierte Zunahme der Dopaminsekretion durch pharmakologische Blockade von TLR4 wieder reduziert werden konnte. Dazu kommen Beobachtungen aus TLR4-Knockout-Mäusen. Diese zeigten eine höhere Analgesie nach Oxycodon-Gabe als die wt-Mäuse. Bei TLR4-Blockade entfaltet sich das analgetische Potential von Opoiden also besser als bei Opoid-Gabe allein. Das passt zu den Beobachtungen aus der gruppe der Tiere, die Remifentanil+Naloxon erhielten. Auch diese zeigten eine höhere Analgesie.
Nun wurden die Medikamente aber intrathekal verabreicht (über parenterale und orale verabreichung haben wir ja schon vorher einiges zusammengetragen).
Zusammengefasst:

Zitat:
Thus, as hypothesized, remifentanil acted as a TLR4 agonist causing TLR4-dependent opposition to opioid analgesia, and hence remifentanil analgesia was potentiated by (+)-naloxone acting as a TLR4 antagonist. As
such, while (+)-naloxone reduced remifentanil reward it increased analgesia.

[...]Once again, as hypothesized, oxycodone acted as a
TLR4 agonist causing TLR4-dependent opposition of opioid analgesia,
and hence oxycodone analgesia was potentiated in the
absence of TLR4.


Durch Blockade von TLR4 wird also die "Belohnungsreaktion" herabgesetzt, aber die analgetische Wirkung gesteigert.
Die TLR4-Wirkung von Opoiden reduziert/antagonisiert also die analgetische Wirkung von Opoiden durch die Opoidrezeptoren.

Kurz: Opoide antagonisieren ihre Opoidrezeptor-spezifische Wirkung über eine unspezifische immunologische Reaktion. Dabei erkennt TLR4/MD2 das Opoid vermutlich als Xenobiotikum.

Fexx hat Folgendes geschrieben:
Worauf wolltest du denn hinaus?


Dass hier zwei sich antagonisierende Modelle nun nebeneinander stehen, die zur Aufrechterhaltung/Entstehung einer Sucht beitragen und man sich im Klaren darüber sein sollte, ob man von Opoid-spezifischen oder -unspezifischen (um das mal so zu unterscheiden) spricht, da sich Opoide, wie gesagt, selbst antagonisieren.
Dabei sollten Prognosen bezüglich der Anwendbarkeit sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Mit Sicherheit lässt sich darüber bei chronischen Schmerzpatienten Suchtprävention bei suffizienterer Analgesie betreiben (obwohl Schmerzpatienten ja eh ein niedrigeres Suchtpotential haben, denn solange die Dosis den Schmerzen entspricht, ist das Suchtpotential von Opoiden recht gering), welche Rolle dieser Zusammenhang allerdings beim Entzug eines langjährig Drogenabhängigen spielt, bleibt nach meiner Meinung abzuwarten. Ich könnte mir vorstellen, dass diesem Mechanismus die durchaus guten Ergebnisse bei Kombinationspräparaten Opoid/Naloxon zugeschrieben werden können, auch wenn die pharmakodynamischen Daten diesbezüglich im Widerspruch dazu zu stehen scheinen (siehe einige Beiträge weiter oben). Andererseits könnte ich mir aber auch vorstellen, dass nach intensiver, jahrelanger Drogenkonditionierung dieser Kreis auch trotz der hier vorgestellten Erkenntnisse schwer zu durchbrechen ist. Dass die Opoidspezifischen Wirkungen dominieren, steht für mich ausser Frage, denn sonst würden Opoide allein kein analgetisches Potential aufweisen und auch keine Sucht provozieren.

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Fexx



Anmeldungsdatum: 05.11.2011
Beiträge: 279

BeitragVerfasst am: 25. Aug 2012 16:07    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für die ausführliche Antwort!
Es wurde also festgestellt, dass das Unterbinden der Aktivierung von TLR4 (durch Blockade der Receptoren oder durch duch Nichtvohandensein derselben) den Dopaminausstoß veringert und die Schmerzunterdrückung verbessert.

Aber das ist nun nicht auf Naloxon bezogen, oder? Dieses führt ja offenbar zu gesteigerter Schmerzwarnehmung, da es eben nicht nur TLR4 blockiert sondern auch andere Opioid-Receptoren.

Jörg hat Folgendes geschrieben:
obwohl Schmerzpatienten ja eh ein niedrigeres Suchtpotential haben, denn solange die Dosis den Schmerzen entspricht, ist das Suchtpotential von Opoiden recht gering


Weiß man woran das liegt? Vielleicht ist auch das auf Receptorebene begründet und nicht allein auf Erregungsmuster zurückzuführen. Im Falle von starken Schmerzen führen Opioide also eher nicht zu hohem Dopaminausstoß und eher zu starker Schmerzunterdrückung.
Das entspricht dann - wenn ich das richtig verstanden habe - den Folgen der Blockierung von TLR4. Sind bei Schmerzpatienten also womöglich weniger dieser Receptoren ausgebildet?
Vielleicht lässt sich darüber auch etwas über Schmerz im allgemeinen sagen, also was Schmerz physiologisch genau ist.
edit.:
Muss mich korrigieren, bei körpereigenen Opioiden dürften die TLRs überhaupt keine Rolle spielen, da es sich ja nicht um Fremdstoffe handelt. Es sei denn es handelt sich um eine falsche Interpretation der köprerigenen Opioide. Doch ist chronischer Schmerz wohl kaum eine Auto-Immun-Erkrankung, sondern kann ja sogar "erlernt" sein (Schmerzgedächtnis).


Wie dem auch sei, könnte es nicht sein, dass sich Schmerz ganz allgemein durch kurzfristige Ausbildung bestimmter Receptoren definiert, jetzt mal abgesehen von den TLRs? Ich meine nicht Nociceptoren, sondern welche, die erst bei der Signalweiterleitung eine Rolle spielen?
Firelion



Anmeldungsdatum: 27.08.2009
Beiträge: 1878

BeitragVerfasst am: 25. Aug 2012 17:46    Titel: Antworten mit Zitat

Das Opioide in therapeutischen Dosen einigermaßen sicher sind (die sind trotzdem ziemliche Hammer, da sie auch müde machen und je nach Dosis den Atemantrieb verringern können), würde ich mir mit dem Wechselspiel zwischen Opioiden und Endorphinen erklären.

Bei physiologischer Konzentration machen ja auch Endorphine nicht abhängig ( soweit ich weiß ist man beim " runnerrs High" davon ausgegabngen, dass man auch von Endorphinen abhängig werden kann und dann den " Kick" braucht. )

Wenn der Körper nicht genug Endorphine bereitstellen kann, um den Schmerz zu unterdrücken ( lindern kann ihn in Notsituationen schon) und nicht zentralwirksame Substanzen wie ASS, Paracetamol, Ibuprofen oder Diclofenac) auch in höheren Dosen beziehungsweise bei parenteraler Gabe ( das führt bei gleicher Menge zu höheren Konzentrationen) es nicht zu einer vernünftigen Schmerzunterdrückung kommt, helfen die Opioide ein angemessen Spiegel zu erreichen. Wenn der Spiegel dann zum Schmerz passt, wird auch die Endorphinproduktion nicht gesenkt.


Fällt aber die Ursache für den Schmerz weg, oder übersteigt die Opioiddosis das gebotene Maß, wird die Endorphindosis gesenkt und es kann zur physischen Abhängigkeit kommen.



Da ich davon ausgehe, dass du Englisch verstehst könnte diese Seite ganz interessant für dich sein: http://reconstructors.rice.edu/
insbesondere A Plaguing Problem , da hier auf Opiatmissbrauch und Schmerztherapie eingegangen wird.

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Fexx



Anmeldungsdatum: 05.11.2011
Beiträge: 279

BeitragVerfasst am: 25. Aug 2012 22:24    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für den Link, Firelion, ist ja sehr schön gemacht;)

Firelion hat Folgendes geschrieben:
Wenn der Spiegel dann zum Schmerz passt, wird auch die Endorphinproduktion nicht gesenkt.

Fällt aber die Ursache für den Schmerz weg, oder übersteigt die Opioiddosis das gebotene Maß, wird die Endorphindosis gesenkt und es kann zur physischen Abhängigkeit kommen.



Genau das ist ja das Interessante: Dass die Menge an Opioiden, die ohne abhängig zu werden, eingenommen werden können, je nach Grad der Schmerzen variabel ist. Wie ist das zu erklären?
Dass die Toleranzentwicklung und damit auch die Suchtentstehung von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist, mag ja die verschiedensten (genetischen) Ursachen haben, doch dass die kritische Konzentration auch bei einzelnen Individuum je nach Zustand (Grad der Schmerzen) schwankt, zweit doch, dass es hier einen eiheitlichen Mechanismus gibt, unabhängig von anderen Dispositionen.
Salopp gesagt "antagonisiert" Schmerz offenbar das Opioid bezüglich seiner "belohnenden" Wirkung. Aber warum it das so? Ist dieses Phänomen denn kein idealer Ansatzpunkt, um die Physiologie des Schmerzes zu ergründen?
Firelion



Anmeldungsdatum: 27.08.2009
Beiträge: 1878

BeitragVerfasst am: 26. Aug 2012 12:47    Titel: Antworten mit Zitat

Ich könnte mir,dass so vorstellen:

Die Endorphine haben die Funktion die Weiterleitung des Schmerzreizes zu unterdrücken, in dem sie zu Ausschüttung von hemmenden Transmittern führen. Das führt dann durch Summation im Idealfall zur Auslöschung des Schmerzsignals. Feuern die "Schmerzneurone" stärker braucht man mehr hemmende Transmitter als, wenn sie weenig feuern (etwas Spontanaktivität ist immer da, auch wenn wir sie glücklicherweise nicht bemerken).
Also vielleicht ist es wirklich ein Gleichgewicht: Ist es ausgewogen, ist es ok; überwiegen die Schmerzsignal braucht man mehr Analgetika, übewiegen die Opioide setzt deren Wirkung aufs Dopaminergesystem ein. Vielleicht wird dieses erst bei höherer Dosis erreicht?

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jörg



Anmeldungsdatum: 12.12.2010
Beiträge: 2107
Wohnort: Bückeburg

BeitragVerfasst am: 28. Aug 2012 19:55    Titel: Antworten mit Zitat

Fexx hat Folgendes geschrieben:
Aber das ist nun nicht auf Naloxon bezogen, oder? Dieses führt ja offenbar zu gesteigerter Schmerzwarnehmung, da es eben nicht nur TLR4 blockiert sondern auch andere Opioid-Receptoren.


Genau und die Analgesie über Opoidrezeptoren überwiegt über die TLR4-Reaktion. Die TLR4-Reaktion wird bezüglich der Analgesie anscheinend erst relevant, wenn Opoide dazu gegeben werden.

Fexx hat Folgendes geschrieben:
Im Falle von starken Schmerzen führen Opioide also eher nicht zu hohem Dopaminausstoß und eher zu starker Schmerzunterdrückung.
Das entspricht dann - wenn ich das richtig verstanden habe - den Folgen der Blockierung von TLR4.


Wie kommst du denn darauf nun?


Fexx hat Folgendes geschrieben:
Wie dem auch sei, könnte es nicht sein, dass sich Schmerz ganz allgemein durch kurzfristige Ausbildung bestimmter Receptoren definiert, jetzt mal abgesehen von den TLRs? Ich meine nicht Nociceptoren, sondern welche, die erst bei der Signalweiterleitung eine Rolle spielen?


Welche denn zum Beispiel?
Das wäre zudem ziemlich unsinnig.
Aber andersherum könnte etwas daran sein: Wenn bestimmte, für die Schmerzleitung relevante Rezeptoren moduliert werden, könnten Schmerzen das Resultat sein. Hier kämen z.B. auch Opoidrezeptoren in Frage (Stichwort: Schmerzen auf Opiumentzug).

Firelion hat Folgendes geschrieben:

Die Endorphine haben die Funktion die Weiterleitung des Schmerzreizes zu unterdrücken, in dem sie zu Ausschüttung von hemmenden Transmittern führen.


Ist das so?
Also soviel ich weiss, verringern sie entweder über G-Proteine die Ausschüttung exzitatorischer Transmitter oder hyperpolarisieren die Zielzelle.


Ich würde die verringerte Suchtgefahr bei Schmerzen folgendermassen erklären wollen: E kommt zum einen zu keiner Belohnungsreaktion, da die dafür relevanten Projektionen vom Thalamus auf den Ncl accumbens nicht "angesteuert" werden. Auch im Thalamus befinden sich allerdings Opoidrezeptoren. Zum zweiten kommt es zu keiner nennenswerten Modulation der Rezeptoren, da ja die Schmerzregulation nicht betroffen ist. Man könnte also vereinfacht sagen, dass es sich um ein bedarfsorientiertes Austitrieren der Opoidrezeptoren handelt und erst, wenn Opoide dann noch im Überschuss vorhanden sind, kann Sucht entstehen 8ist eher nicht so schwarz/weiss, aber das haben wir ja schon diskutiert, diese Erklärung soll ein stark vereinfachtes Modell darstellen, das auch mit Sicherheit nicht den Anspruch auf Vollständigkeit aufweist).

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BeitragVerfasst am: 28. Aug 2012 20:04    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe gedacht die würden so ähnlich wie andere zentraldämpfenden Substanzen zur Ausschüttung von GABA führen, anders als ASS und co die über Hemmung der COX schon früher ansetzen.
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BeitragVerfasst am: 29. Aug 2012 01:22    Titel: Antworten mit Zitat

Die GABA-Ausschüttung kann über Opiate betroffen sein, allerdings werden z.B. im Nucleus accumbens über delta-Opoidrezeptoren die GABAergen Neurone gehemmt, was zu einer Enthemmung des dopaminergen Systems führt. Dabei handelt es sich um präsynaptische Opoidrezeptoren. Diese hemmen in diesem Beispiel die GABA-Ausschüttung, welches dann wiederum an dem "benachbarten" Endköpfchen vermindert an seinen ebenso präsynaptischen GABA-Rezeptor bindet und damit die Dopaminsekretion steigert.

Wie gesagt, nach meinem Wissen wirken Opiate über G-Proteine und können dreierlei Reaktionen auslösen:
1. Hemmung der Adenylatcyclase ---> weniger cAMP ---> Ca-Einstrom vermindert ---> Transmitterausschüttung vermindert
2. Hemmung von (spannungsgesteuerten) Calciumkanälen ---> erschwerte präsynaptische Depolarisation und Verminderung der Transmitterasusschüttung
3. Aktivierung von Kaliumkanälen ---> Hyperpolarisation

Wichtig hier wären die präsynaptischen u-Rezeptoren (Wirkung nach 1.) und die postsynaptischen u-Rezeptoren (Wirkung nach 3.) sowie der delta-Rezeptor (präsynaptisch, Wirkung nach 2.).
Ich glaube, der kappa-Rezeptor ist auch noch an der Analgesie beteiligt, macht aber mehr Atemdepression usw., müsste ich aber nochmal nachlesen.

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BeitragVerfasst am: 29. Aug 2012 20:13    Titel: Antworten mit Zitat

Ah ok. Ich habe wohl fälschlicherweise angenommen, dass die Wirkung aufs GABAerge System über postsynaptische Hemmung funktioniert.
An eine Disinhibition habe ich nicht gedacht.

Erklärt die Wirkung auf den Nucleus accumbens auch das Suchtpotential? NSAIDs wirken ja auch analgetisch, wirken aber nicht auf den Accumbens und haben ein geringeres suchtpotential, oder?

Ließe sich so auch die Suchtgefahr bei Tranquilizern erklären?

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BeitragVerfasst am: 29. Aug 2012 21:54    Titel: Antworten mit Zitat

Nicht nur Abhängigkeiten versucht man, so zu erklären, auch in verschiedene psychische Störungsbilder ist dieses "System" involviert (Depression, Borderline u.a.)
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BeitragVerfasst am: 13. Sep 2012 11:37    Titel: Antworten mit Zitat

jörg hat Folgendes geschrieben:


Fexx hat Folgendes geschrieben:
Im Falle von starken Schmerzen führen Opioide also eher nicht zu hohem Dopaminausstoß und eher zu starker Schmerzunterdrückung.
Das entspricht dann - wenn ich das richtig verstanden habe - den Folgen der Blockierung von TLR4.


Wie kommst du denn darauf nun?



Naja, wenn die Blockade von TLR4 das Suchtpotential herabsetzt und damit allein die analgetische Wirkung übrigbleibt, so ist das doch eine Parallele zur Gabe von Opioiden bei Schmerzpatienten: Auch hier bleibt die schließlich das Suchtpotential gering und die analgetische Wirkung überwiegt.


Zitat:
Aber andersherum könnte etwas daran sein: Wenn bestimmte, für die Schmerzleitung relevante Rezeptoren moduliert werden, könnten Schmerzen das Resultat sein. Hier kämen z.B. auch Opoidrezeptoren in Frage (Stichwort: Schmerzen auf Opiumentzug).


Ja, so klingt das besser. Stark vereinfacht stelle ich mir das jetzt so vor, dass Schmerzen unter anderem das Resultat der Ausbildung von Rezeptoren sein könnten, deren Aktivierung durch Opioide das Suchtverhalten unterbinden. Oder anders herum: Vielleicht sind bei Schmerpatienten gerade die Rezeptoren, deren Aktivierung das Suchtverhalten auslöst/verstärkt wie z.B. TLR4 weniger stark ausgebildet.

Das schließt natürlich nicht aus, das Schmerzen auch Resultat eines bestimmten Erregungsmusters sind, wie Firelion schrieb:

Zitat:
Ich könnte mir,dass so vorstellen:

Die Endorphine haben die Funktion die Weiterleitung des Schmerzreizes zu unterdrücken, in dem sie zu Ausschüttung von hemmenden Transmittern führen. Das führt dann durch Summation im Idealfall zur Auslöschung des Schmerzsignals. Feuern die "Schmerzneurone" stärker braucht man mehr hemmende Transmitter als, wenn sie weenig feuern (etwas Spontanaktivität ist immer da, auch wenn wir sie glücklicherweise nicht bemerken).


Aber wie sollte man nun entscheiden, was wirklich der Fall ist?
Wenn Schmerzen aus bestimmten "Schmerz-Erregungsmustern" resultieren, so hieße das, dass diese Signale die durch immunologische Reaktionen herbeigeführte Dopaminskretion vollständig ausbremsen.
Andererseits könnten Schmerzreize im Laufe der Signalweiterleitung zu einer Rezeptormodulation führen, die dann erst dazu führt, dass durch gabe der Opioide kein Suchtverhalten herbeigeführt wird. (Wohl aber eine Belohnungsreaktion: Stopp der Schmerzen ist ja auch eine Art Belohnung - fühlt sich zumindest gut an. Aber das ist vielleicht ein anderes Thema...)
jörg



Anmeldungsdatum: 12.12.2010
Beiträge: 2107
Wohnort: Bückeburg

BeitragVerfasst am: 13. Sep 2012 19:17    Titel: Antworten mit Zitat

Fexx hat Folgendes geschrieben:
Naja, wenn die Blockade von TLR4 das Suchtpotential herabsetzt und damit allein die analgetische Wirkung übrigbleibt, so ist das doch eine Parallele zur Gabe von Opioiden bei Schmerzpatienten: Auch hier bleibt die schließlich das Suchtpotential gering und die analgetische Wirkung überwiegt.


Nur, dass Opiate über TLR4 nicht analgetisch wirken, sondern das Gegenteil, sie antagonisieren über TLR4 die Analgesie, die über die Opoidrezeptoren vermittelt wird.


Fexx hat Folgendes geschrieben:
Stark vereinfacht stelle ich mir das jetzt so vor, dass Schmerzen unter anderem das Resultat der Ausbildung von Rezeptoren sein könnten, deren Aktivierung durch Opioide das Suchtverhalten unterbinden. Oder anders herum: Vielleicht sind bei Schmerpatienten gerade die Rezeptoren, deren Aktivierung das Suchtverhalten auslöst/verstärkt wie z.B. TLR4 weniger stark ausgebildet.


Es soll nicht nur besser klingen, sondern du solltest dir auch der Bedeutung bewusst sein: Schmerzen werden über Nozizeptoren wahrgenommen und auf spezialisierten Bahnen weitergeleitet, die mehrmals verschaltet werden, bevor sie letztendlich im Schädel ankommen. Auf allen Verschaltungsebenen kann also Schmerz generiert oder auch unterdrückt werden. Im Normalfall wird Schmerz also nicht über Rezeptormodulation vermittelt.

Gehe die Beiträge noch einmal sorgfältig durch und versuche einmal, das zusammenzubringen, wenn es dich interessiert. So, wie du das beschreibst, ist das noch sehr durcheinander und berücksichtigt einiges des bisher erörterten nicht ausreichend.
Warum bitte sollte z.B. TLR4 (ein immunologischer Rezeptor) bei Schmerzpatienten moduliert werden? Und warum sollten die weniger davon haben?
Ausserdem berücksichtige bitte, dass es sich bei der TLR4-vermittelten Wirkung um eine unspezifische Wirkung handelt, die also nichts speziell mit Opoiden zu tun hat, sondern mit der Erkennung von xenobiotischen Substanzen. In letzter Konsequenz könnte (oder würde) das bedeuten, dass Menschen, die viel mit LPS (Lipopolysaccharid), also mit gram-negativen Bakterien in Kontakt kommen, auch ein anderes Suchtverhalten zeigen. Das jedoch konnte nicht gezeigt werden. Man könnte hier mit verschiedenen Korezeptoren oder was auch immer argumentieren, doch gezeigt werden konnte solches noch nicht, zumal der "Haupt"-Korezeptor MD2 auch in die TLR4-vermittelte Opoidwirkung eingebunden ist.

Das schließt natürlich nicht aus, das Schmerzen auch Resultat eines bestimmten Erregungsmusters sind, wie Firelion schrieb:

Fexx hat Folgendes geschrieben:
Wohl aber eine Belohnungsreaktion: Stopp der Schmerzen ist ja auch eine Art Belohnung - fühlt sich zumindest gut an. Aber das ist vielleicht ein anderes Thema...)


Ich denke schon, dass man hier schauen könnte und auch sollte. Denn die Belohnungsreaktion ist über die Dopaminsekretion im Ncl. accumbens an Sucht gekoppelt und auch hier wurde auf die Dopaminsekretion geschaut und damit auf einen Belohnungsreiz. Allerdings ist es etwas anderes, ob ich mit positiver Verstärkung arbeite, indem ich einen Belohnungsreiz setze oder mit negativer, indem ich einen unangenehmen Reiz entferne. Beides kann zu der gleichen Verhaltensänderung führen, dass jedoch neuronal das gleiche passiert, ist daraus nicht abzuleiten.

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Fexx



Anmeldungsdatum: 05.11.2011
Beiträge: 279

BeitragVerfasst am: 15. Sep 2012 16:16    Titel: Antworten mit Zitat

Gut, es ist wohl wirklich zu berücksichtigen, dass die immunulogische Reaktion durch die TLRs nicht Opioid-spezifisch ist sondern allgemein mit körperfremden Substanzen zusammenhängt.
Somit lassen sich die TLRs im speziellen vielleicht wirklich nicht mit Schmerz im Allgemeinen in Verbindung bringen, aber das wollte ich eigentlich auch gar nicht. Es ging mir zuletzt eher darum, den Einfluss, den derartige Receptoren offenbar haben können, mit der Entstehung von Schmerz in Verbindung zu bringen.

Wenn es tatsächlich so ist, dass im Falle von starken Schmerzen Opioide eingenommen werden können, ohne eine "Suchtwirkung" zu verursachen, so lässt sich doch anhand des Beispiels der TLRs (oder wohleher speziell TLR4) vermuten, dass z.B. für die Suchtentsehung relevante Receptoren in diesem Fall blockiert oder nicht ausgebildet sind. Das wäre dann vielleicht wirklich ein Teil der Physiologie, die hinter Schmerz im Allgemeinen steckt und damit ein Stück weit eine Erklärung dafür wäre, worin dieser einzigartige Lerneffekt besteht, der mit Schmerz einhergeht.
jörg



Anmeldungsdatum: 12.12.2010
Beiträge: 2107
Wohnort: Bückeburg

BeitragVerfasst am: 15. Sep 2012 19:20    Titel: Antworten mit Zitat

Die bisherige Theorie ist die, dass es eben, solange Schmerzen durch Opoide "austitriert" werden, es vermindert zu Suchterscheinungen kommt, da eben keine spezifische Belohnungsreaktion erfolgt und auch die neuronalen Wirkungen schwächer ausgeprägt sind, weil die Opoide eben - vereinfacht gesagt - erstmal den "Bedarf" decken, der abgedeckt sein muss, um sich "normal" zu fühlen. Diese Dosis ist natürlich nicht genau zu finden, so dass man das Risiko der Suchtgefährdung bisher eingegangen ist, um die Schmerzen zu unterdrücken. Der hier beschriebene Ansatz könnte das ändern: Gute Analgesie bei vermindertem Suchtpotential.

Insofern hast du recht: Selbstverständlich müssen nach dieser Studie die TLR4 irgendetwas mit Schmerzwahrnehmung zu tun haben (siehe Ergebnisse der TLR4-Knockout-Tiere). Die Schmerzleitung selbst wird es jedoch nicht sein (ich tippe hier eher auf die Schmerzwahrnehmung, also die Interpretation eines Schmerzreizes) und es wird auch wenig mit quantitativer Rezeptormodulation zu tun haben.
Wie sich das genau verhält, bleibt abzuwarten, ich kann mir gut vorstellen, dass diese Arbeitsgruppe weiter daran arbeiten wird. Es ist schliesslich sehr interessant, dass Schmerz- und Suchtmodulation immunologisch beeinflusst werden kann. Mehr jedoch kann man bisher noch nicht sagen, ausser, welche zellulären Signalprozesse da eingebunden sind.

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