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Wie kommt es zu Nervenreizung
 
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134340
Gast





BeitragVerfasst am: 28. Jun 2011 09:58    Titel: Wie kommt es zu Nervenreizung Antworten mit Zitat

Hallo Bioboard, das ist mein erster Post in diesem Board Wink Eigentlich binn ich eher beim Physikerboard oder Matheboard, aber nun zu meiner Frage.
Ich habe mich nun schon seit längerer Zeit mit der Erregungsbildung und -leitung beschäftigt. Ich weiß mittlerweile, dass die Erregung durch ungleiche Ionenverteilung und selektive Ionenpermeabilität im Bereich des Axolemms auftritt. Nun würde ich gerne wissen, wie es nun zu einer Depolarisation kommt ohne externe Stromquelle kommt.
Also in meinem Buch stand nur, dass wenn man an den Nerv Strom anlegt, sich ein Reiz bildet, aber wie kommt es denn zu diesem Reiz, wenn man keine externe Stromquelle hat? Also wenn ich jetzt z.B. einen Tisch anfasse, wie kommt es da zu dem Impuls, den ich dann letztendlich spüre?
134340
Gast





BeitragVerfasst am: 29. Jun 2011 08:59    Titel: Antworten mit Zitat

Oder sollte ich das lieber im Mediziner Board posten?
jörg



Anmeldungsdatum: 12.12.2010
Beiträge: 2107
Wohnort: Bückeburg

BeitragVerfasst am: 29. Jun 2011 09:20    Titel: Antworten mit Zitat

Im Prinzip ist es immer dasselbe:
Es werden Ionenkanäle geöffnet und es kommt zu einer Depolarisation.
Wird ein gewisser Schwellenwert überschritten (Reizschwelle= mindeste Signalintensität, die ein Aktionspotential auslösen kann), kommt es zu einer Fortleitung in die Nervenfaser.
Es gibt bei den Mechanorezeptoren (Tastsinn im weiteren Sinne) Ionenkanäle, die auf Druck, Vibration, Hautdehnung oder Abscherung der Haare reagieren. Bei den Rezeptoren unterscheidet man grob statische und dynamische Rezeptoren; während erstere auf eine physikalische Grösse (z.B. Druck) reagieren, reagieren zweitere auf die Geschwindigkeit der Veränderung dieser Grösse (also z.B. Druckänderung pro Zweiteinheit).
Durch statische und dynamische Grössen wird uns dann ein Eindruck unserer Umwelt vermittelt.
Kodiert wird die Stärke des Reizes in der AP- Frequenz.

Ähnliches gilt für alle Sinne: Ein Öffnen/ Schliessen von Ionenkanälen als Reaktion auf einen physikalischen Reiz führt zu einer Veränderung des Membranpotentials.

_________________
RNA?- just another nucleic acid?
134340
Gast





BeitragVerfasst am: 29. Jun 2011 10:36    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Es gibt bei den Mechanorezeptoren (Tastsinn im weiteren Sinne) Ionenkanäle, die auf Druck, Vibration, Hautdehnung oder Abscherung der Haare reagieren.


Aber wie kommt es dazu? Also was passiert dort auf mikrobiologischer Ebene? Welche molekularen Veränderungen finden dann im Ionenkanal statt und wodurch?
jörg



Anmeldungsdatum: 12.12.2010
Beiträge: 2107
Wohnort: Bückeburg

BeitragVerfasst am: 29. Jun 2011 11:22    Titel: Antworten mit Zitat

134340 hat Folgendes geschrieben:
Also was passiert dort auf mikrobiologischer Ebene? Welche molekularen Veränderungen finden dann im Ionenkanal statt und wodurch?


Tja, wenn das mal immer so bekannt wäre.....

Was weisst du denn über den strukturellen Aufbau eines Ionenkanals (Musterbeispiele Na- Kanäle und Ca- Kanäle)?

Das Ion wird durch elektromagnetische Wechselwirkungen durch den Kanal hindurch transportiert, wenn dieser offen ist.
Neben "offen" und "geschlossen" gibt es noch andere Zustände einiger Kanäle (v.a. Na- Kanäle), nämlich "aktiv" und "inaktiv".
Damit hat der Kanal 3 verschiedene Konformationen (nur ein prinzipiell geöffneter Kanal kann inaktiviert werden): offen- aktiv (Ion kann transportiert werden), offen- inaktiv (Ion kann prinzipiell transportiert werden, doch temporär nicht, da - vereinfacht ausgedrückt- der Kanal von einem geladenen Proteinanteil desselben "verstopft" ist; erst wenn die elektrochemischen Verhältnisse eine Diffusion dieses Anteils aus dem Kanal heraus bewirken, können wieder Ionen diffundieren. Dieser Zusammenhang bildet u.a. die Grundlage der Refraktärzeiten) und geschlossen (Ion kann nicht diffundieren).
Während das "Öffnungs- bzw. Schliessungstor" durch den "Sensor" (auf chemische oder physikalische Reize reagierend) "bedient" wird, folgt die Aktivität des "Inaktivierungstores" der Membranspannung.

Jeder Kanal hat seinen spezifischen Reiz, auf den hin er seine Konformation ändern kann (nur der Unterschied offen- geschlossen basiert auf einer echten Konformationsänderung der Transmembrandomänen und betrifft zum einen die räumliche Durchlässigkeit und zum anderen die elektromagnetische Durchlässigkeit, das Ion kann also - wenn der Kanal beide Bedingungen erfüllen kann, was jedoch nicht alle Kanäle können, bei den meisten Na- Kanälen basiert die Undurchlässigkeit der "geschlossen- Konformation" aber sowohl auf räumlicher als auch auf elektrochemischer Durchlässigkeit- weder diffundieren, weil es räumlich nicht "in den Kanal passt" als auch, weil die elektrischen Eigenschaften innerhalb des Kanals dies nicht zuliessen.

Dass Ionenkanäle auf einen definierten Reiz reagieren, muss vorläufig so hingenommen werden, da Ursachenforschung im engeren Sinne immer recht schwierig ist, soll heissen, wir können beschreiben, wie ein Kanal auf bestimmte Reize hin seine Konformation ändern, wollen wir jedoch nach einer genauen Ursache fragen (also warum er das tut), wird es schwierig und wir müssen entwicklungsgeschichtlich argumentieren und nicht mechanistisch.

Ein Beispiel für den Aufbau eines spannungsgesteuerten Na- Kanals kannst du dir z.B. unter folgendem link anschauen (dort wird die Funtion des "Schliessungstors" angedeutet, das den Kanal räumlich verschliesst und auch noch geladen ist, so dass trotz passenden Ions durch den Selektivitätsfilter dieses nicht passieren kann und auch abgestossen wird. Dargestellt ist auch der Spannungssensor. Die innerhalb des Kanals liegenden wechselnden Ladungen, die für den Transport des Ions essentiell sind, wurden nicht dargestellt. Im geschlossenen Zustand können also durchaus Ionen innerhalb des Kanals "aufgehalten" werden, da hat so jeder Kanal seine eigene Strategie.):

http://www.chemgapedia.de/vsengine/media/vsc/de/ch/8/bc/neurotransmission/movies/kanal_tor_28_03_01_v4_swf_altref.jpg

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134340
Gast





BeitragVerfasst am: 29. Jun 2011 11:35    Titel: Antworten mit Zitat

Prinzipiell war mir das alles schon bekannt, mich interessiert vorallem ein Absatz :
Zitat:
Dass Ionenkanäle auf einen definierten Reiz reagieren, muss vorläufig so hingenommen werden, da Ursachenforschung im engeren Sinne immer recht schwierig ist, soll heissen, wir können beschreiben, wie ein Kanal auf bestimmte Reize hin seine Konformation ändern, wollen wir jedoch nach einer genauen Ursache fragen (also warum er das tut), wird es schwierig und wir müssen entwicklungsgeschichtlich argumentieren und nicht mechanistisch.


Eine Frage noch zum Schluss. Ist das in dem geschilderten Absatz schon erforscht worden oder nicht?
jörg



Anmeldungsdatum: 12.12.2010
Beiträge: 2107
Wohnort: Bückeburg

BeitragVerfasst am: 29. Jun 2011 13:21    Titel: Antworten mit Zitat

Bekannt sind die sensorischen Domänen der meisten Kanäle und dass eine Konformationsänderung dieser strukturelle und funktionelle Veränderungen des gesamten Proteins nach sich zieht.

Die Theorie argumentiert hier mit intramolekularen thermodynamischen Veränderungen und tatsächlich sind in den verschiedenen Konformationen verschiedene Entropieniveaus nachweisbar. Durch den Reiz scheint also eine Energie aufgebracht zu werden (jeder physikalische Reiz, der wahrgenommen werden soll, muss nach dieser Theorie also mit einer Veränderung der intramolekularen "Ordnung" einhergehen), die die energetischen Zusammenhänge innerhalb des Moleküls verändern. Das ist auch in einigen Fällen belegt (obwohl ich da bezüglich der Kanäle keine Daten vorliegen habe, aber bei anderen Proteinen wurde das gemessen; relativ gut untersucht sind dabei Proteine, die auf eine "direkte Energiezufuhr" durch ATP angewiesen sind, wobei hier Konformationsänderung meistens Bewegung im Nanometerbereich bedeutet, wie bei den Motorproteinen, einigen zellulären Rezeptoren, ATP- Synthasen u.a., wobei letztere Protonenbetriebene Enzyme sind). Ebenso ist das Verhalten chemisch induzierbarer Systeme relativ gut bekannt, zumindest die initialen Konformationsänderungen in der Ligandenbindungsdomäne und das Gesamtresultat im Protein.

Angemerkt sei noch, dass sich auch die dafür entwickelten Computerprogramme schwer tun, ein eindeutiges Ergebnis für das intramolekulare Energieniveau aus der Proteinstruktur bzw. dessen Veränderung abzuleiten, so zumindest der Sachverständige für physikalische Chemie unseres Physiologie- Institutes (ist auch nicht wunderlich, wenn man sich vor Augen hält, dass nicht einmal zweidimensionale RNA- Sekundärstrukturen eindeutig zu prognostizieren sind). Lediglich Tendenzen zeichnen sich hier wohl ab. Es existieren also durchaus auch technische Schwierigkeiten, intramolekulare Veränderungen auf der Basis thermodynamischer Zusammenhänge zu Quantifizieren, aber da musst du einen Fachmann für physikalische Chemie zu Rate ziehen.

Unklar bleibt häufig, wie eine Veränderung einer Domäne zu einer Veränderung einer anderen Domäne führt, wie sich also die "Kette" gestaltet (wen wunderts, wenn man sich einmal den Aufwand verdeutlicht, der mit solchen Untersuchungen einhergeht und die dafür notwendige Technologie vor Augen hält...). Hier hilft dann die Thermodynamik theoretisch weiter.

Manchmal - wie im Falle der Inaktivierung - ist es aber ganz gut zu untersuchen, da sich hier lediglich ein geladener "Pfropf" in den Kanal stopft und diesen so räumlich unpassierbar macht.

Oftmals ist nicht einmal klar, welche Domäne eines Proteins welche Funktionen konkret erfüllt, obwohl die Experimente hierzu im Verhältnis zu den strukturellen Untersuchungen relativ einfach durch gezielte Mutagenese durchzuführen sind.

Kurz: Die intramolekularen Zusammenhänge sind oft eine "black- box", wir können durch Determination des Inputs eine bestimmte Veränderung wahrnehmen, was dabei allerdings im Molekül geschieht, bleibt meistens unklar.
Die Datenlage hierzu ist aber ständig wachsend.

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134340
Gast





BeitragVerfasst am: 29. Jun 2011 17:00    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für die genaue Erklärung.

Ich werde das Thema in Zukunft weiterverfolgen und gucken, wie es sich entwickelt.
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